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Conrad Grefe.
Unter den zahlreichen Verfuchen, welche in Deutschland zur Verbefferung
oder Vereinfachung der Chromolithographie gemacht wurden, würde der von
Julius Greth in Berlin unternommene und Stenochromie benannte wohl die
radicalften Folgen nach fich ziehen, vorausgefetzt, dafs er fich in der praktifchen
Verwendung bewähren follte, wofür freilich zur Zeit noch die Beweife ausflehen.
Diefe Methode bezweckt durch ein eigentümliches Verfahren, alle Grundfarben
eines Bildes auf einen Stein zu zeichnen und auch auf einmal zu drucken; diefer
Druck, welcher gewiffermafsen die Stelle der Untermalung eines Bildeseinnehmen
foll, würde dann — nach dem Programme — mit 2 bis 3 Lafurfleinen vollendet
werden. Die Sache ifl jedenfalls intereffant und mufs im Auge behalten werden.
Eine andere, bereits mehr bewährte Methode, die einzelnen Farbentöne auf
Papier zu zeichnen und von diefem auf die Steine umzudrucken, wird bereits von
mehreren Anftalten mit recht gutem Erfolge angewendet.
Wenn Frankreich durch feine grofsartigen lithographifchen Leiilungen
auf dem Gebiete der Technik undlnduftrie, fowie durch die Schönheit und Gedie
genheit feiner Schwarzlithographien, Deutfchland durch feinen Reichthum an
Jlluflrationsarbeiten und die Vortrefflichkeit feiner Aquarellimitationen hervorragt,
fo dominirt dagegen Oefterreich oder, richtiger gefagt, Wien, auf das entfchie-
denfle durch feine Oelgemälde-Imitationen, und zwar fowohl durch ihre folide,
von allen Hilfsmitteln der Technik unterflützte Ausführung, wie durch die echt
künfllerifche Tendenz, welche bei der Auswahl der nachzubildenden Gemälde vor-
herrfcht. Selbflverftändlich wurde diefe Abtheilung der XII. Gruppe amreichften
und vollfländigflen befchickt und, da fie von guter Beleuchtung und fehr ausgiebigem
Raume unterftützt war, auch in der ehrgeizigen Opferwilligkeit der Ausfleller eine
mächtige Förderung fand, geflaltete fie fich auch zu der am gefchmackvollften und
überfichtlichften arrangirten; fie gewährte den Anblick einer kleinen Kunftaus-
flellung.
Was nun die ausgeflellten Arbeiten felbfl betrifft, fo haben wir bereits
darauf hingewiefen, dafs der Schwerpunkt derfelben in die Nachbildung von Oel-
gemälden fiel.
Wir haben bei der Einleitung diefer Befprechung erwähnt, dafs fich die
Chromolithographie an die gröfsten Werke der alten Meifler wagt und find bei
Engländern, Franzofen, Italienern und Holländern mit mehr oder minder Erfolg
dielen lobenswerthen Verfuchen begegnet; am weiteflen gingen jedoch in diefer
Richtung die Wiener Künftler und lithographifchen Anftalten, von denen beifpiels-
weife die Firma Reiffenflein & Röfch das berühmte Gemälde von Tizian
Madonna mit den Kirfchen“ aus der kaiferlichen Gallerie im Belvedere, in der
Gröfse des Originales, alfo über 40 Wiener Zoll breit, chromolithographifch nach
bilden liefs und fowohl durch den Eifer des ausführenden Künfllers wie durch die
grofse Sorgfalt der Druckerei ein in jeder Beziehung zufriedenftellendes und unter
allen Umfländen höchft verdienflliches Refultat erzielte.
Sowohl diefe Anflalt, wie jene von Hölze 1, Patern o, Haupt und
Czeiger, Katzianer, dann das mit der grofsen neubegründeten Kun fl anflalt von
Leop. Sommer & Comp, vereinigte, artiflifche Atelier von Conrad Grefe, ver
folgen fämmtlich die Richtung, fo viel als nur irgend möglich, die bedeutendflen
oder doch mindeflens fehr vorzüglichen Werke moderner oder claffifcher Meifler
mittelfl der Lithographie dem grofsen Publicum zugänglich zu machen. Viele
diefer Leiftungen find von wahrhaft künfllerifchem Geifle durchdrungen und
zeigen in jeder Beziehung eine feltene Vollendung.
Die vereinigten Anftalten von Grefe & L. Sommer, fowie jene von
Reiffenflein & Röfch vertraten auch die Aquarellimitation, durch mehr
als 200 Blätter, und zwar erftere durch die grofsen Prachtwerke über die
deutfchen Alpen, Egypten, Rofen u. f. w., letztere unter andern durch
das hochintereffante Werk über die Balearen.