DAS GEWERBLICHE UNTERRICHTSWESEN.
(Gruppe XXYI, Seetion 4.)
Bericht von
Armand Freiherrn von Dumreicher.
Die Stellung des gewerblichen Unterrichtswefens im Culturleben
der Gegenwart.
Ausfüllungen gewerblichen Unterrichtswefens bieten der Betrachtung dank
baren und überreichen Stoff, und von all’ den mannigfachen Gebieten indivi
duellen wie flaatlichen Seins und Schaffens, welche in der Wiener Weltausflellung
Vertretung gefunden, erfüllt nur wenige ein Inhalt, den eine fo Harke Strömung
derZeit trägt; denn nie zuvor begegneten fich wie heute in den continentalen
Induftrieflaaten die Gedanken des Nationalökonomen und des Staatspädagogen fo
fehr auf gleichem Wege und ftrebten fo bewufst dem Ziele nach, der bisherigen
empirifchen und darum fchwanken Entwicklung des Gewerbewefens von nun an
in der Schule einen feilen Unterbau zu fchaffen.
In folche Richtung hinein drängen gegenwärtig zahlreiche zufammenwir-
kende Fadloren die Geifier. Während die einzelnen Zollgebiete, fortgeriffen von
dem freihändlerifchen Zuge, der unfere Epoche beherrfcht, fich zu flraffiler
Anfpannung ihres induflriellen Könnens getrieben fehen, während ein märchen
haft geileigertes Verkehrswefen alte, hochentwickelte Induftrieflaaten mit zermal
mender Concurrenzkraft auf dem entlegenflen Boden auftreten läfst, und während
der alfo gefallene Schutzzoll des Gefetzes und des Raume s allerorten und
in jedem Zweige den Gewerbsmann das zu lernen zwingt, was irgend ein Anderer
im fernften Lande bereits kann, vollzieht fich innerhalb der Gemarkungen der
einzelnen Staaten ein gewaltiger focialer Procefs, der, vorbereitet von einem
glänzenden Auffchwunge der Naturwiffenfchaften, eingeleitet und gefördert durch
ein mächtig emporgedeihendes Mafchinenwefen und ins Unberechenbare geftei-
gert durch die überall unaufhaltfame Entwicklung der Gewerbefreiheit, im wirth-
fchaftlichen Leben des einzelnen Landes der Grofsinduflrie jenes Ueber-
gewicht dem Kleingewerbe gegenüber leiht, mit dem in der W eltwirt hfchaft
reiche und flarke Induftrieflaaten fchwächere und ärmere zu erdrücken drohen.
So miiffen diefe Entwicklungen ebenfo dem Staatsmanne, deffen Blick fich
auf internationale Verhältniffe richtet, die Aufgaben des gewerblichen Unter
richtswefens als tief bedeutende enthüllen, wie dem, der vorwiegend den inneren
Zuftänden und den Fragen der Socialpolitik feine Aufmerkfamkeit widmet.
Wir flehen da vor einer unabfehbaren Kette werdender Geftaltungen,
deren Endpunkte noch in kimmerifchem Dunkel liegen. Die abendländifchen Cul-
turvölker, in ihren Wohnfitzen von einer die Arbeitskraft fördernden Ermäfsigung
aller phyfikalifchen und organifchen Gegenfätze begünftigt, haben durch den He
figen Hebel der Beherrfchung der Naturkräfte im Grofsen fich zur Weltherrfchaft
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