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Volltext: Textil- und Bekleidungs-Industrie, Wiener Weltausstellung Heft 5

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Einleitung. 
sämmtlichen der Körperbekleidung dienenden, tritt ein immer grösseres 
Verschwinden des Musters ein. Die Zeichnung, sei sie durch Farben 
oder durch die Technik in der Structur des Stoffes hervorgebracht, 
tritt mehr und mehr in den Hintergrund; die .Jacquardweberei und 
mit ihr die Kunst des Dessinateurs finden stets schwächere Nahrung. 
Die Güte der Qualitäten und neue oft nur durch ihre Geschmacklosig 
keit ausgezeichnete Farben treten in den Vordergrund. Das lebhafte, 
durch harmonische Nebeneinanderstellung der Nuancen gebildete Dessin 
ist verdrängt durch den glatten Stoff, in matten, oft widerwärtigen 
Farben, die dem Schlamm, dem Papageigrün und Aehnlichem nachgebildet 
sind. An die Stelle der Kunst des Dessinateurs und Webers ist die 
des Schneiders getreten, den der Posamentier, der Spitzen- und Band 
fabrikant, der Feder- und Pelzhändler zur Herstellung der abenteuer 
lichsten Gestaltungen unterstützt. Die Kunstweberei flüchtet sich auf 
das Gebiet der Decorationstoffe, vor allem der Teppiche und Möbel 
stoffe, die heute fast einzig zeigen, dass der Sinn für lebendige Farben 
noch nicht vollständig erstorben ist. 
Befinden sich so einige Zweige der Weberei und gewisse Produc- 
tionsstätten in ungünstiger Lage, nämlich die Kunstweberei und die 
durch hohe Arbeitslöhne der Concurrenz nicht gewachsenen grossen 
Städte, so ist nicht zu leugnen, dass auch der Zustand eines Theils der 
für die Massenconsumtion arbeitenden Industrie kein sehr gesunder 
zu nennen ist. Dieselbe krankt an einer Ueberproduction, welche 
auf zwei Ursachen zurückzuführen ist. Es ist zunächst der Einfluss, 
den der Aufschwung des Actienwesens auch auf die Textilindustrie 
gehabt hat. Unter den Gründungen der letzten Jahre nehmen Spinne 
reien und Webereien keine unbedeutende Rolle ein. Es ist eine 
grosse Zahl von Actiengesellschaften entstanden, theils durch Gründung 
neuer Etablissements der Textilindustrie, theils durch Umwandlung und 
Vergrösserung von bestehenden. Dieselben haben die Productionsquanten 
auf ihren Gebieten in ansehnlicher Weise vergrössert, ihr Bestreben 
ist auf Erzeugung möglichst grosser Massen gerichtet. Dagegen ist 
nicht zu leugnen, dass für den Augenblick die Kaufkraft der Consumenten 
für dieProducte der Textilindustrie sich nicht gehoben, im Gegentheil 
vielleicht eher verringert hat. Unter den nothwendigen Bedürfnissen 
des Lebens nehmen die Bekleidungsgegenstände erst die dritte Rolle 
ein. Ihre Befriedigung ist minder dringend, als die der Nahrungs- und 
Wohnungsbedürfnisse, und bei der ausserordentlichen Preiserhöhung 
der diesen Zwecken dienenden Gegenstände müssen häufig die Ausgaben 
für Kleidung beschränkt werden. Dazu kommt, dass die Absatzgebiete 
der europäischen Producte der Textilindustrie keine wesentliche Aus 
dehnung erfahren haben. Hinter den Schutzzöllen, welche die \ ereinig- 
ten Staaten von Nordamerika um sich gezogen haben, und die dem 
Importe europäischer Manufacturwaaren häufig unübersteigliche Hin- 
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