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Volltext: Industrie der Stein-, Thon- und Glaswaaren, Wiener Weltausstellung Heft 10

484 Gruppe IX. Industrie der Stein-, Thon- u. Glaswaaren. 
Von sonstigen Glaskurzwaareil, soweit sie nicht in dem Vorher 
gehenden zur Besprechung gekommen sind, nennen wir noch ein inter 
essantes Fabrikat von gepresstem, farblosem Glas, welches mit gleich 
falls farblosem Glas überfangen, durch eine feine Luftschicht zwischen 
beiden die gepresste Form trotz des äusseren ebenen Ueberzugs sehen 
lässt, II ue & Co. in Paris hatten in dieser Weise gefertigte Brief 
beschwerer, Thürgriffe, Geländerknöpfe ausgestellt, welche bei äusserer 
Glätte und Reinlichkeit doch die durch Pressung entstandene Form zu 
habep schienen. 
Aus dem Orient waren Arm- und Fingerringe von farbigem Glas 
herbeigebracht worden. Nicht nur als Vorbilder geschmackvoller Dessins 
und harmonischer Farbenzusammenstellungen, sondern auch als fort 
lebende Ueberreste aus dem fernen Alterthum sind viele Aeussernngen 
der orientalischen Gewerbthätigkeit so äusserst interessant und lehrreich. 
Eine Menge Fragen, welche uns die alten Schriftsteller ungelöst lassen, 
finden wir im Orient beantwortet. Ausser den Perlen werden auch die 
gläsernen Arm- und Fingerringe, welche wir am Rhein in römischen 
und fränkischen Gräbern des ersten bis sechsten Jahrhunderts finden, 
fort und fort in Rustschuk durch Mustafa, in Jerusalem durch 
Hassan und anderwärts fabricirt. Aus den genannten Städten waren 
ziemlich ordinäre Armringe von farblosem, blauem, schwarzem, grünem 
und gelbem Glas, sowie aus demselben Material Fingerringe mit und 
ohne quadrirte Siegelplättchen ausgestellt. Hebron soll der Sitz einer 
uralten durch Juden betriebenen Perlenfabrikation sein. 
V on Glaslüstern waren prachtvolle Stücke ausgestellt, nicht nur 
in der bereits erwähnten Art der venetianischen Blumenlüster, sondern 
auch solche in farblosen geschliffenen Gläsern. Von letzter Art hatten wie 
der J. & L. Lobmeyr in Wien und J. Green in London, ferner E. Palm in 
Steinschönau, J. Zahn &Co. und H. Ulrich, beide in Wien die Ausstellung 
beschickt. Zu diesem Zweck halten die Kalkgläser keinen Vergleich mit 
den Bleigläsern aus, weil die Specträ ihrer Prismen viel kürzer, ihre 
Zerstreuung des Lichts viel geringer ist, und weil ein Kronleuchter 
desto schöner ist, je umfangreicher die Regenbogenfarben erscheinen, 
in welche seine Glieder das Licht spalten. Feine Gläser sollen eben 
das Entgegengesetzte von dem thun, was wir bei achromatischen Gläser- 
combinationen bezwecken. Selbst die Kalkgläser sind in dieser Bezie 
hung noch immer farbreicher als der Bergkrystall; es muss daher als 
ein verfehltes Unternehmen erscheinen, wenn Varangoz in Paris sich 
die kostspielige Mühe gemacht hat, einen grossen Kronleuchter einzig 
aus Bergkrystall zu schleifen, welcher 70 000 Frcs. kostet und todt und 
kalt neben einem in Feuer und Farbe strahlenden aus Bleikrystall hängt, 
welcher kaum den zehnten Theil kostet. Allerdings giebt es noch 
Leute genug, deren Stolz es ist, etwas zu besitzen und vorzuzeigen,
	        
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