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Volltext: Chemische Industrie, Wiener Weltausstellung Heft 21

Spiritusfabrikation. 261 
nicht landwirtschaftliches Nebengewerbe, sondern eine selbstständige 
Grossindnstrie ist. 
4. Spiritusgewinnung aus zuckerhaltigen Materialien. 
Von zuckerhaltigen Materialien sind es nur die Zuckerrüben 
und die bei der Zuckerfabrikation bleibenden nicht krystallisirenden 
Rückstände (Melasse-Syrup), welche hier in Betracht kommen. 
Ueher die Verarbeitung von Zuckerrüben ist wenig zu bemerken, 
da die in Preussen und den meisten deutschen Staaten bestehende 
Maischraumsteuer die Verarbeitirng von Zuckerrüben unmöglich macht. 
Eine lohnende Verarbeitung von Materialien ist nämlich bei der be 
stehenden Maischraumsteuer nur möglich, wenn aus 100 Vol. Maisch 
raum wenigstens 8 Vol. absoluter Alkohol gezogen werden; da nun 
Zuckerrüben durchschnittlich nicht mehr als 12 p. C. Zucker enthalten, 
die zuckerreicheren Rüben aber mit grösserem Gewinn direct auf Zucker 
verarbeitet werden, so dass für den Brennereibetrieb nur die zucker 
ärmeren Rüben überbleiben, und da endlich coneentrirter Rübensaft 
wegen der schleimigen Beschaffenheit der aus demselben resultirenden 
Maische nicht zu verarbeiten ist, so werden aus Zuckerrüben nicht mehr 
als 3 bis 4 p. C. Alkohol gezogen; als überhaupt erreichbares Maximum 
des Ertrages werden 4 bis 4*4 p. C. angegeben, während aus concen- 
trirter Kartoffelmaische 8 bis 9, ja selbst 10 p. 0. Alkohol gezogen wer 
den können. Weil demnach auf die gleiche Alkoholmenge aus Zucker 
rüben eine über doppelt so hohe Steuer kommt, als auf die aus Kar 
toffeln, verbietet sich die Rübenbrennerei in den Staaten, welche an 
der Maischraumsteuer festhalten, von selbst. 
In Süddeutschland sind die Steuerverhältnisse anders, indem dort 
nicht vom Maischraum, sondern von dem Malz bei der Brennerei 
Steuer erhoben wird; da nun die Rübenbrennereien gar kein Malz ge 
brauchen, so arbeiten dieselben ohne jede Besteuerung; und trotzdem 
können die Rübenbrennereien nicht mit Erfolg bestehen, wenigstens 
nicht bei ausschliesslicher Verwendung von Rüben; die wenigen Bren 
nereien, welche noch Rüben verarbeiten, maischen wenigstens % Kar 
toffeln neben den Rüben. 
Auch in Oesterreich-Ungarn sind nach Einführung des Panschali- 
rungs-Steuersystems zahlreiche Rübenbrennereien entstanden, dieselben 
haben aber nach kurzer Zeit ihren Betrieb entweder eingestellt oder für 
die Verarbeitung von Kartoffeln, Mais oder Melasse einrichten müssen. 
In welchem Maasse daher die Befürchtung der Kartoffelspiritus-Fabrikan 
ten gerechtfertigt ist, dass mit Einführung einer Fabrikatsteuer zahl 
reiche Rübenbrennereien in Gegenden, welche augenblicklich für die 
Spiritusfabrikation gar nicht in Betracht kommen, errichtet werden und
	        
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