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in einer bisher nicht wahrgenommenen Deutlichkeit zeigen. Sie zeigen ferner
deutlich, was in dem bisherigen Material nicht klar zu Tage trat, daß wir es
bei den frühen kleinasiatischen Teppichen nicht mit erstarrten PHanzenformen,
sondern allein mit diesen geometrischen und Schriftmotiven zu tun haben.
Welcher Zeit die Teppiche angehören, kann nur gemutmaßt werden;
sie sind früher entstanden wie jene reichen kleinasiatischen Teppiche des
XV. Jahrhunderts, die wir auf den italienischen und frühniederländischen
Bildern finden und die ihre Weiterentwicklung bezeichnen. So mögen sie
wohl dem XIV. Jahrhundert angehören. Als Marco Polo am Ende des
XllLjahrhunderts Kleinasien und das Seldschukenreich von Konia besuchte,
erwähnt er, daß hier von der seßhaften griechischen und armenischen Be-
völkerung die schönsten und feinsten Teppiche der Welt gefertigt wurden."
Bode führt diese Stelle an und weist darauf hin, daß die seldschukischen
Eroberer hier die ältere einheimische Bevölkerung in ihren Kunstschöpfungen
nur förderten, ohne selbst schöpferisch tätig zu sein, ebenso wie es nach der ara-
bischen Eroberung in Ägypten der Fall war, wo auch die angesessenen Kopten
kunstgewerblich tätig waren. Wir können in den drei Teppichen die ältesten
bisher bekannten kleinasiatischen Knüpfteppiche sehen, die den früheren,
oben erwähnten Tierteppichen voraufgehen. Ihr Muster knüpft an die geo-
metrischen Muster der Mosaikfußböden des Altertums und wohl auch der
dem Knüpfteppich voraufgehenden Wirkteppiche und der spätantiken und
byzantinischen Gewebe
an. Wir erinnern an
den prachtvollen, dem
_VIII. bis XJahrhundert
zugeschriebenen Sei-
denstoff im Lambertus-
Schrein zu Lüttich
mit seinem imposanten
geometrischen Muster":
(Abb. g) oder an den
Purpurstoff aus dem
Reliquienschrein des
heiligen Dionysius zu
Enger, der unzweifel-
haft dem XII. Jahrhun-
" Ramusio: Delle navi-
gaticmi et viaggi. II. Venelia x559,
Seite 4: „Fahre genti sono Armeni
e Greci que stanno nelle cinä e
castelli e vivonu di mercamie e
arti, e quivi si lavorano tapedi
onimi e li piü belli del mondo."
1' Abgebildet bei j. Les-
sing: Gewebesammlung des Kö-
niglichenKunstgewerbemuseums Abb. xo. Purpurner Seidenstotfaus dem Dionysiusschrein zu Enger, Vorder-
zu Berlin. lI. Lieferung. K. 6762. asien, XII. Jahrhundert (nach j. Lessing, Gewebesammlung)
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