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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

Weißlackierte Möbel aus 
weichem Holz für eine 
kleine Wohnung. Von Arch. 
Prof. Jos. Hoffmann, Wien. 
rapportieren können: „Ich war mit dem Lande und das 
Land mit mir wohl zufrieden.“ 
Solch eine gegenseitige Befriedigung wird wohl kaum vom 
russischen Satrapen zuwege gebracht werden können, da 
er es sich ja vorgenommen hat, in Finnland das ganze 
soziale Gebäude zu vernichten, welches der schwedische 
Landesvater in aufgeklärter Fürsorge um das Wohl des 
Landes aufgebaut hat. 
Schwedische gesellschaftliche Ordnung und schwedische 
Kultur sind es, die aus den Finnländern das gemacht haben, 
was sie bis jetzt gewesen sind und was sie kraft des ihre 
Gemütsart charakterisierenden Eigensinnes auch streben 
weiter zu verbleiben: ein glückliches, kleines Kulturvolk, 
umgeben von Wäldern und Seen, mitten in Schnee und Eis. 
Wer sich für die gegenwärtige kulturelle Lage Finnlands 
interessiert, hat leider nur wenige Literaturquellen in aus^ 
ländischen Sprachen zu seiner Verfügung. Die reichste dieser 
Quellen ist das umfassende Prachtwerk „FINNLAND IM 
NEUNZEHNTEN JAHRHUNDERT“, dessen deutsche Auf' 
läge jedoch nunmehr in der Buchhandlung vergriffen ist. 
Einen Überblick in Bildern über die Fortschritte der Kultur 
im Lande, ebenso wie über dessen schöne Natur, gibt uns 
das Werk „FINNLAND IN BILDERN“. Es enthält ein 
paar hundert, bei Angerer & Göschl in Wien ausgeführte 
Autotypien in Folio, welche Ansichten von Landschaften, 
von sämtlichen Städten Finnlands, von herrschaftlichen 
Gütern, von Bauerngehöften, von Nahrungszweigen wie 
Fabriken, Jacht und Fischfang, Holz^ und Teerindustrie, 
von Ethnographie darstellen. Jedes Bild wird durch beige-- 
fügten Text in sechs Sprachen erläutert. 
Von der größten Bedeutung als Gradmesser der intellek 
tuellen Entwicklung ist auch für Finnland die einheimische 
Kunst. 
Die finnländische Kunst ist nicht länger Terra incognita für 
die gebildete Welt Europas. Während der letzten Jahre ist 
sie durch mehr als einen ihrer hervorragendsten Ausüber 
der gegenwärtigen Zeit, auf Kunstausstellungen in den Haupt 
städten Europas repräsentiert worden, und während der 
Weltausstellung 1900 in Paris hatte der Pavillon Finnlands 
in der Straße der Nationen einen in erster Linie künstle 
rischen Erfolg. 
Die finnländischen Künstler, die mit vereinten Anstrengungen 
diesen für sie persönlich und für die finnische Kunst über 
haupt schmeichelnden Erfolg errangen, hatten jedoch mit 
dem Gebäude noch etwas anderes abgesehen, als nur eine 
Aufweisung der bildenden Künste ihres Vaterlandes beim 
Eingang des zwanzigsten Jahrhunderts. 
Sie hatten die Aufgabe, ein Gesamtbild des Kulturstand 
punktes dieses Landes in großen Zügen aufzurollen. 
Der mit der Kulturgeschichte Finnlands nicht vertraute Aus 
stellungsbesucher, welchem die originelle äußere Form des 
Pavillons imponierte, konnte nicht wissen, daß der untere 
Teil dieses Gebäudes die auf dem Lande in Finnland üb 
lichen Kuhställe aus Stein imitierte. Er konnte nicht wissen, 
daß der in die Höhe ragende Turm nichts anderes war als 
ein Glockenstuhl aus den alten finnischen Kirchen, der den 
Sonntagsfrieden des Volkes symbolisiert, wenn die Bauern 
in ihren besten Röcken aus grobem Fries und die Bäuerinnen 
das Psalmbuch in ein Taschentuch gewickelt, der Mahnung 
der Glocken folgen. Er konnte vielleicht auch nicht wissen, 
daß die auf dem Dache in Holz skulptierten Bären in Wirk 
lichkeit während des langen Winters in Finnlands Wäldern 
schlafen und im Sommer mit ihrer Tatze die einzige Kuh 
des armen Bauers erschlagen. 
Und was sagten ihm wohl die Wanddekorationen im Innern 
des Gebäudes? Erkannte er wohl auf EDELFELTS An 
sichten von Finnlands Küsten die weiten Gewässer des 
Finnischen Meerbusens oder dessen Felsen und Schären? 
Erinnerte ihn ALBERT GEBHARDS „Sommerabend beim 
Stockfloß“ an die Lebensgefahr die auf die verwegenen 
Floßführer lauert, wenn sie in den brausenden Strömen von 
Stock zu Stock springen; oder an ihre Not und Enttäuschung, 
wenn das Zimmerholz nach allen Winden auseinanderge- 
trieben, längs den geheimnisvollen Ufern der öden Seen 
schwimmt, welche es wie gestohlenes Gold verbergen. Er 
zählten ihm die Mauern auf BLOMSTEDTS Gemälde 
„Olofsborg“, das schönste schwedische Denkmal aus grauem 
Altertum, von den Plünderungen der Russen in der lieb 
lichen Gegend, wo die stolze Ruine steht und träumt, um 
geben von meilenweiten blauen Seen? Konnte er wohl 
ergriffen werden von der poesieerfüllten Mystik der uralten 
finnischen Legenden auf GALLÉNS malerischen Bildern 
aus der Kalevala, dem Nationalepos Finnlands? Faßte er 
den Wissensdrang des einfachen finnischen Arbeiters in 
ENCKELLS Interieurs aus Volksschule und Lesesaal? Oder 
verstand er, was der Künstler in die idyllische Ansicht der 
alten historischen Stadt BORGÂ hineingelegt hat? Es kommt 
auf dem Bilde nicht zum Vorschein, daß in diesem Städtchen 
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