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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 2. Jahrgang 1905/06

DER KÜCHENGARTEN. 
(SCHLUSS.) 
an sollte auch das Karottenbeet im Spätherbst wohl 
beobachten, da manche Blätter eine wunderbare rote 
Färbung erhalten und sich zu Blumenarrangements 
wohl eignen. □ 
Zu den Umbelliferoen gehören im Küchengarten auch noch die 
Petersilie, das Kerbelkraut, der Fenchel und die Angelica. 
Viele der Pflanzen dieser Familie besitzen einen scharfen, aro 
matischen Geruch und Geschmack, der bei der Angelica und 
dem Kümmel wohl am stärksten ist; die Verwandtschaft des 
Geruches ist deutlich beim Kerbel, der Sellerie und der Peter 
silie zu sehen. Auch bei der hübschen Myrrhe, die ihrer An 
mut wegen in keinem Garten fehlen sollte; sie ist für eine 
Frühlingspflanze sehr gross und hat reizende, fein geschnittene, 
blassgrüne Blätter und wirklich hübsche Blüten. Sie ist die 
wohlriechende „Süssdolde“ des altenglischen Gartens. □ 
Der Fenchel ist eine so hübsche Pflanze, dass er auch in dem 
Blumengarten am Platze wäre; die kräftigen, verzweigten 
Blütenstengel sind in solchen anmutigen Gruppen zwischen den 
feingeformten Blättern verstreut, dass sie bei gutem Wachstum 
wirklich schöner als die gigantischen, nordafrikanischen 
Fenchelarten sind. Er ist natürlich nicht so gross; ich glaube 
aber, obwohl ich im Garten kein Durcheinander liebe, dass der 
gewöhnliche Fenchel nicht die verdiente Beachtung geniesst. 
Ich habe mich erst vor kurzem davon überzeugt, wie gut er 
sich im geschnittenen Zustande verwenden lässt, als ich in 
einem Nachbarhause ein wunderhübsches Arrangement von 
kräftigen gelben Fenchelblüten und spanischen Kastanien 
blättern sah. □ 
Unter den Gartenpflanzen gibt es nicht viele Unbelliferoren. 
Dazu gehört der grosse Heracleum, eine hübsche Pflanze für 
einen kühlen, sumpfigen Ort, und der Eryngium, dessen Blüten 
auf eine ganz andere Art als bei den anderen Pflanzen dieser 
Art verteilt sind. □ 
Zu den Umbelliferoen zählt auch ein sehr schädliches Unkraut, 
das Aegopodium, das wie eine kleine Angelica ausschaut und 
riecht; wenn seine sich rasch verzweigenden Wurzeln aber ein 
mal auf irgendeinem Flecke zu wuchern beginnen, sind sie fast 
unausrottbar. □ 
Eine gute Zwiebelernte ist eine Freude für den kulinarischen 
Winkel eines Gärtnerherzens, und ich finde die wenigen, zur 
Aussaat zurückgelassenen grossen silberigen Samenkapseln, die 
von den grossen Blütenstengeln mit der sonderbar fleischigen 
Basis getragen werden, sehr malerisch. Die Schalotten stehen 
reihenweise wie Soldaten da, so regelmässig und in so gleichen 
Abständen voneinander wachsen sie, und ihre geraden, dunkel 
grünen Blätter erinnern an gut gedeihende Jonquillen. Der 
Schnittlauch ist eine zum Einfassen gut geeignete Pflanze, die 
in dichten Büscheln wächst und deren feingewiegte Blätter im 
Salat gut schmecken. Eine Reihe von Lauch ist ein hübscher 
Anblick, sowohl wenn er wächst, als auch wenn er als Ge 
müse angerichtet wird; er ist die mildeste Gattung der 
Zwiebeln. Der wilde Knoblauch mit seinen weissen Blüten 
büscheln und breiten, tiefgrünen Blättern, die so an das Mai 
glöckchen erinnern, ist eine sehr hübsche Pflanze; er bildet in 
den benachbarten Wäldern so schöne, grüne Flächen, dass ich 
mich immer versucht fühle, ihn in meinen Garten zu setzen, 
wovon ich nur durch sein starkes Wuchern und den unange 
nehmen Geruch, den er bei der blossen Berührung oder auch 
nur bei geringstem Wind ausströmt, abgehalten werde. □ 
Es gibt viele Abarten des Lauchs (Allium), die in Gärten ge 
zogen werden; der bestbekannteste davon ist der gelbblühende 
Allium Moly. Ausserdem gehört der Allium Neapolitanum 
dazu, der zu den frühesten Frühlingsblumen zählt und eine 
sehr schöne Abart mit einem grossen Stengel und einer runden, 
schönen, blauen Blüte (A. azureum) besitzt, die aus Sibirien 
stammt und nur selten anzutreffen ist. □ 
Auf den ersten Blick findet man zwischen Erdäpfeln und 
Tomaten nicht viel Gemeinsames, und doch sind sie nahe ver 
wandt, tragen dieselbe botanische Bezeichnung Solanum und 
stammen aus derselben Gegend, und zwar aus dem Norden 
Südamerikas. Es besteht auch zwischen ihren Blüten und teil 
weise zwischen den Blättern eine Ähnlichkeit, und auch die 
runden Beeren der Kartoffeln erinnern an die reifende Frucht 
der Tomate. □ 
Viele Arten der Solanumgattung haben einen seltsamen und 
etwas unangenehmen Geruch, der sich in den Tomatenblättern 
und bei dem im Walde wachsenden Nachtschatten (Solanum 
dulcamara) bemerkbar macht. Die Blätter und Stengel der 
Tomate haben eine zarte obere Schicht, die sich bei der zar 
testen Berührung ablöst. □ 
Im Süden Englands wächst die schöne Schlingpflanze Solanum 
jasminoides, deren Blätter ab und zu ein bronzefarbiges 
Schwarz annehmen, das sich von dem zarten Weiss der Blüten 
wundervoll abhebt. Der Solanum crispum ist ein grosser Strauch 
unserer südlichen Gegenden, der im April und Mai mit reichen, 
lavendelblauen Blütentrauben bedeckt ist. Mit den Solanums 
sind die Daturas verwandt, die für ein kühles Gewächshaus 
geeignet sind und im Sommer in Kübeln draussen stehen 
können. □ 
In diesen durch einen Rundgang durch den Küchengarten an 
geregten Bemerkungen habe ich nur die hervorragendsten der 
darin enthaltenen Pflanzen hervorzuheben und zu zeigen beabsich 
tigt, wie mein Interesse für dieselben durch die Erinnerung an 
ihre Herkunft, Entwicklung und an ihre Verwandtschaft unter 
einander und mit anderen Gartenblumen und wilden Pflanzen 
hervorgerufen wurde; sie können aber auch noch von einem 
anderen Standpunkt betrachtet werden, den ich immer einzu 
nehmen bestrebt bin. Er besteht darin, dass sie, wenn es nur 
irgend möglich ist, in einer malerischen und wohlüberlegten 
Weise gepflanzt werden sollten, wie ich es zum Beispiel bei 
der Beschreibung des Ziehens von Bohnen an Stangen erwähnt 
habe. Eine von diesen Pflanzen, und zwar die Kürbisgattung, 
kann mit Erfolg zur Überwucherung unscheinbarer Hügel und 
Gräben oder als eine zeitweilige Schutzwand und eine Ver 
kleidung von hohen Scheunendächern verwendet werden. Auch 
eine andere Abteilung des Gartens sollte gepflegt werden, und 
zwar ein Beet von feinen Kräutern. Es sollten sich darin zwei, drei 
Exemplare von Nelken, Thymian, Kerbelkraut, Estragon, 
Salbei, Melisse, Majoran, Fenchel, Suppensellerie und Peter 
silie, Gurkenkraut, Minzen und eine Magnolie befinden. □ 
Es ist viel besser, wenn die Köchin sich das Bukett für eine 
feine Suppe oder Sauce zusammenstellt, indem sie sich die 
dazu gehörenden Ingredienzien selbst frisch pflückt, wobei die 
kleinen Pflanzen in ihren Augen ein lebendiges Interesse gewinnen. 
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