durch die zerstörende Wirkung der Abgase be-
droht ist. Die Realisierung einer sinnvollen Ver-
kehrsplanung für die Altstadtzentren fällt in die
Kompetenz der Kommunalbehörden.
Es steht natürlich außer Frage, daß Revitalisie-
rungsmaßnahmen nicht zu Lasten der ange-
stammten Wohnbevölkerung gehen sollten.
Wenn man jedoch überlegt, mit welchen Kosten
eine echte Althausgeneralsanierung mit gleich-
zeitiger Wohnungsverbesserung verbunden ist,
muß eine solche Empfehlung eine „Wunschvor-
stellung" bleiben, die, mit der harten Wirtschaft-
lichkeit konfrontiert, vor derartigen Sachzwän-
gen kapitulieren muß.
Die in Wien ibisher durchgeführten Revitalisie-
rungsmaßnahmen im Stadtzentrum (Blutgasse,
Sonnenfeldgasse und Maria am Gestade) stel-
len die wirtschaftliche Komponente drastisch un-
ter Beweis! So wurden die Wohnungen in den
drei Häusern „Maria am Gestade", allerdings
im Wohnungseigentum, iedoch zu einem Qua-
dratmeterpreis von S l3.000.- vergeben. Es ist
daher durchaus verständlich, daß in diesem Zu-
sammenhang von der Schaffung von „Luxus-
gettos" gesprochen wird. Und trotzdem muß sich
der Denkmalschutz für die Revitalisierung der
Stadtzentren aussprechen!
Zur Empfehlung, daß großflächige Sanierungs-
und Revitalisierungsproiekte nach Tunlichkeit erst
auf Grund von profunden wissenschaftlichen
Untersuchungen erfolgen sollten, darf festge-
stellt werden, daß im Voriahr zwei derartige
Forschungsaufträge erteilt worden sind.
Das Bundesministerium für Bauten und Technik
hat ein Architektenteam mit der Ausarbeitung
einer detaillierten Studie über Braunau „Alt-
stadt-West" beauftragt. Das Ergebnis dieser sehr
interessanten Forschungsarbeit wurde beim Alt-
stadtsympasium in Braunau (29130. Juni 1974)
einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt.
Das Bundesministerium für Wissenschaft und
Forsdiung hat gleichfalls im Vorfahr einen For-
schungsouftrag an das Forschungszentrum in
Graz zur Thematik „Revitalisierung einer Alt-
stadt am Beispiel Graz" vergeben. Das Ergebnis
dieser Studie steht noch aus.
Ein weiterer Forschungsauftrag ist als Grundlage
für eine Strukturanalyse im Zusammenhang mit
Revitalisierungsmaßnahmen in Rattenbergllnn
vorgesehen.
An diesen drei Beispielen ist ersichtlich, daß
Empfehlungen berücksichtigt werden können, so-
fern die Zuständigkeit gegeben ist.
Was schließlich die zu Recht postulierte finan-
zielle Gleichstellung der Althaussanierung mit
der Err-iolttung von Neubauten anbelangt, so
wird die vorgesehene Novellierung des Wohn-
bauförderungsgesetzes 1968 diesem „Gleichbe-
rechtigungsgrundsatz" entgegenkommen. Es hat
sich - zwar mit einer bedauerlichen zeitlichen
Verzögerung - die Ansicht durchgesetzt, daß es
wenig sinnvoll ist, den Althausbestand verfallen
zu lassen und gleichzeitig die Errichtung neuer
Wohnbauten zu forcieren. Der häufig beklagte
Defizitärbestand an Neubauwohnungen läßt sich
unschwer durch die Sanierung von Altbauten mit
gleichzeitiger Anhebung des Wohnkomforts weit-
gehend kompensieren.
Im übrigen wurde die gesamte Problematik, die
dieser Resolution zugrunde liegt, beim 1. Inter-
nationalen Altstadtkongreß in Graz (19.-22. Sep-
tember 1974) sehr eingehend - unter Mitwirkung
von ausländischen Experten - behandelt.
lll.
Stimulierung der Öffentlichkeitsarbeit
Die empfohlenen Initiativen sollen das Verständ-
nis für die wichtige Rolle des überkommenen
Architekturerbes als Bestandteil unserertäglichen
Umwelt fördern.
Es wird eine Zusammenarbeit mit allen Institu-
tionen angeregt, die sich den Fragen des Denk-
malschutzes und der Denkmalpflege aufgeschlos-
sen zeigen. Zu diesen lnstitutionen zählen auch
örtliche Organisationen, wie z. B. Denkmalpflege-
vereine.
Die Öffentlichkeitsarbeit kann in Österreich als
sehr erfolgreich qualifiziert werden. Die Medien
setzen sich für die Belange des Denkmalschutzes
und der Denkmalpflege mit großem Nachdruck
ein. Es kann ohne Übertreibung gesagt werden,
daß sowohl beim ORF als auch in den Redak-
tionsräumen einzelner Tageszeitungen ausge-
sprochene „Denkmalspezialisten" am Werk sind.
Die Bedeutung der Medienaktivitäten erfordert
keine Kommentierung, wenn man bedenkt, wie-
viele Menschen allein durch das Fernsehen an-
gesprochen werden können! Darüber hinaus sor-
gen mehrere Publikationen dafür, daß die Be-
hörden auf allen Ebenen, Berufsvertretungen,
Architekten und sonstige Interessenten über
Denkmalschutzmaßnahmen auf dem laufenden
gehalten werden.
Sonderveranstaltungen, wie Ausstellungen, Kon-
gresse, Seminare und Vorträge, dienen in wirk-
samer Weise der Information der Öffentlichkeit.
Es wird Aufgabe des Jahres 1975 sein, diese
lnformotionstätigkeit noch zu intensivieren, da-
mit das Jahr des Denkmalschutzes ein voller
Erfolg wird.
Aber die Öffentlichkeitsarbeit stellt nicht das
Um und Auf der Maßnahmen für das „EURO-
PEAN ARCHITECTURAL HERITAGE YEAR" dar.
Dazu bedarf es der praktischen Denkmalpflege,
sohin iener Maßnahmen, die optisch wahrnehm-
bar sind.
Während im Jahre 1973 auf Bundesebene ein
Betrag von 20,4 Millionen Schilling für die För-
derung der praktischen Denkmalpflege zur Ver-
fügung gestanden ist, konnte dieser Betrag im
Jahre 1974 fast verdoppelt werden. Es wurden
Subventionen im Gesamtumfang von 35 Millio-
nen Schilling zur Förderung der praktischen
Denkmalpflege ausgeschüttet, ein weiterer Be-
trag in Höhe von 5 Millionen Schilling wurde für
denkmalpflegerische Arbeiten an bundeseigenen
Gebäuden verausgabt.
lm Denkmalschutziahr 1975 wird voraussichtlich
- das heißt, wenn es im Laufe des Jahres zu
keinen Kürzungen kommt - ein Betrag von rund
45 Millionen Schilling für die praktische Denk-
malpflege investiert werden können.
Zusammenfassend läßt sich daher feststellen:
Die von den Fachleuten fertiggestellte Novelle
zum Denkmalschutzgesetz entspricht „haarschorf"
den Vorstellungen der internationalen Experten
von einem wirksameren Denkmalschutz, wie er
mit der Resolution l anvisiert wird. Diese legis-
lative Maßnahme könnte zweifellos der Bei-
trag zum „Jahr des Denkmalschutzes" seinl Die
Entscheidung, ob sich die _an die Novellierung
geknüpften Erwartungen für einen effizienten
Denkmalschutz letztlich auch erfüllen, liegt bei
den zuständigen politischen Gremien!
Bewußt wendet sich die Zürcher Konferenz nicht
nur an die Regierungen (Zentralstellen) der Mit-
gliedstaaten des Europarates, sondern auch an
die Regional- und Kommunalbehörden, weil eben
einzelne Maßnahmen, die in den Resolutionen
erwähnt werden, nur im Zusammenwirken mit
den Lokalbehörden realisiert werden können.
In einem diesbezüglichen Appell an die Ge-
meindebehörden werden folgende Maßnahmen
als vordringlich bezeichnet:
a) Straßen und Plätze von besonderer geschicht-
licher oder baukünstlerischer Bedeutung zu
Fußgängerzonen mit Fahr- und Parkverbot zu
erklären.
b) Verbote von Reklame- und Firmenaufschrif-
ten zu erlassen, durch welche geschützte Bau-
ten oder Ensembles in ihrer Erscheinung be-
einträchtigt werden könnten.
c) Instandsetzung der erhaltungswürdigen Ge-
bäude und - soweit erforderlich - Umwid-
mung für eine andere adäquate Verwendung.
d) Neubelebung erhaltungswürdiger Altstadttei-
le durch Neuansiedlung geeigneter Gewer-
bebetriebe.
e) Verkabelung von Telefon- und Telegrafen-
leitungen.
f) Beseitigung des „Antennenwaldes" durch die
Aufstellung von Gemeinschaftsantennen.
g) Künstliche Beleuchtung der architektonisch
oder historisch bedeutenden Bauten und Bau-
gruppen. -
h) Inkraftsetzung strenger Vorschriften, um un-
kontrollierte Demolierungen in schutzwürdi-
gen Zonen (Ortskernen) zu verhindern.
i) Fachkundige Prüfung von Neubauproiekten,
um eine maßstabgerechte Einordnung der-
selben in das bestehende Gefüge der erhal-
tungswürdigen Stadtteile zu gewährleisten.
k) Instandsetzung von unansehnlich gewordenen
Fassaden.
Die Verantwortung für eine gesicherte Zukunft
der sich im architektonischen Erbe manifestieren-
den Vergangenheit ist unteilbar und trifft daher
alle politischen Mandatare und angesprochenen
Behörden in gleicher Weise. Nur viribus unitis
kann bewältigt werden, was das Jahr 1975 jedem
einzelnen an Einsicht, Verständnis, Engagement
und „Goodwill" abverlangt.
Videant consules, ne quid res publica detrimenti
capiat!
Ü Unser Autor:
Min.-Rat Dr. Walter Hafner
Leiter der Abteilung für Denkmalschutz und
Denkmalpflege im Bundesministerium für
Wissenschaft und Forschung
Generalsekretär des Österreichischen
Nationalkomitees für das Jahr des
Denkmalschutzes 1975
Concardiaplatz 1
1014 Wien