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sind — immer nur sich geben und dieses Ich in 
all den tausend Regungen, flüchtigen Regungen 
des Augenblicks, als wüssten sie nicht um den 
Wert der Dinge — sie haben neben diese Welt 
etwas gestellt, das ihrer Hände Werk ist — sie 
haben das ganze All in sich aufgenommen und 
wiedergeboren zu neuen Formen. 
Übersieht man ihr ganzes Schaffen — es ist 
als lebte man dann in einer eigenen träumerischen 
Welt, wo die Gestalten und Gestaltungen aus 
den Tiefen steigen, in reinem Wirken, unge 
brochen durch die Last des Daseins. 
Darum verstehe ich, weshalb man sich so ab 
schloss gegen diese Kunst. Denn sie hat etwas 
Anarchistisches, das aller Regeln spottet und die 
Starrheit unseres Lebens auflösen würde. Aber 
wir würden in dieser vornehmen Lässigkeit nicht 
zu leben vermögen. Wir haben uns schon zu 
sehr von unserer Wiege entfernt. Und wir sind 
kein Naturvolk. Dies instinktive Verständnis der 
tiefsten Tiefen ist etwas, an dem unsere Kräfte 
zersplittern würden. Die weiche Hingebung der 
Asiaten erweist sich als grössere Kraft. Die euro 
päische Kunst ist aufbauend, die japanische auf 
lösend; die europäische will in den Himmel bauen 
und wenn man zusieht, bemerkt man die Lücken 
und die unzureichende Kraft; die japanische legt 
Kostbarkeit neben Kostbarkeit und wenn man 
zusieht, dann ist es ein fertiges Gebäude, an dem 
kein Fehl ist. Die europäische will konstruktiv 
sein und ist immer destruktiv; die japanische 
Kunst will destruktiv sein ■— wenn man hier 
von „Wollen” reden kann — und ist zum Schluss 
konstruktiv. Obgleich sie von der Schönheit der 
Welt reden, und reden KÖNNEN wie kein Volk, 
scheinen sie immer eingedenk zu sein, unser Heil 
ist nicht von dieser Welt. Das ist, wenn man 
will, die Weltverneinung, die in ihrer Kunst liegt. 
Die unergründliche Tiefe der östlichen Völker, 
die etwas so Fascinierendes an sich hat. 
Vom entwicklungsgeschichtlichen Standpunkt 
betrachtet, muss diese Kunst als die wertvollste 
und interessanteste sich darstellen, da sie, wie 
keine, sich ihrem innersten Wesen getreu bis in 
die letzten Konsequenzen entwickelt hat. 
Es mag sein, dass die japanische Kunst etwas 
in sich trägt, das auf die Sinne einen umnebeln 
den Reiz ausübt. Bei den reifsten und feinsten 
Künstlern dieses Volkes findet man tolle Phan 
tasien, in das Extremste vagierende Nervenorgien, 
die das Kühnste sind, was überhaupt je ein tasten 
des Gefühl aufgespürt hat. Und wir finden eine 
entwickelte Neigung zum Groteskem, einen ge 
heimnisvollen Zug zu inhaltlosen Bewegungen, 
willkürlichen Umschreibungen, die wie Bekennt 
nisse einer gemarterten Seele anmuten. 
Das erklärt, dass die Berührung mit japa 
nischer Kunst nur eine flüchtige Bekanntschaft 
blieb und dass, wenn man etwas herübernahm, 
man sich mit der Nachahmung des Formalen 
begnügte. Aber wie kann man Aeusserliches an 
nehmen wollen und den Geist, das Treibende, 
vernachlässigen? Die Bilder, die unsere Maler 
geben, sind so starr, so konzentriert, so schwer, 
so voll von Schwere; bei den Japanern ist alles 
Luft, Licht, Bewegung, Weite, Vorübergang. Und 
ein von aller Last befreiter Ernst liegt in ihren 
Schöpfungen. Und dass man sich mit der Er 
gründung des Technischen zufrieden gab — es 
ist wohl besser so. Es giebt nun Werke, die 
diesen Stoff gründlich behandeln, und nun dieses 
Ziel erreicht ist, fühlt man sich zufrieden. Der 
Europäer liebt Kraft, Selbstbestimmung, Schick 
salsschmiedung; alles das verschmäht der Japaner, 
weil er es überwunden hat; es steckt in dieser 
Kunst wie in jeder asiatischen einerseits dies Be 
rauschende, Betäubende, das wie Gift wirken 
kann; und andererseits ist die Luft, in der diese 
Werke wachsen, zu leicht, zu dünn. 
Wir verlangen anscheinend derbere Kost. 
Denn die Japaner leben ja darin. 
Und der Europäer kann vielleicht nur ge- 
niessen, nur ab und zu Blicke thun. 
Sonst wird ihm seine Persönlichkeit geraubt, 
und in die ist er vernarrt. 
Aber wer sich einmal darin versenkt hat, der 
fühlt seine Sinne umsponnen. 
Der liebt diese zarten Künstler wie man Frauen 
liebt. 
Erschüttert sind seine Tiefen wie nie. 
Und er ist entsetzt, wie sein Innerstes aus dem 
Leibe gerissen wird; er ist in eine Einsamkeit 
gestellt. 
Kann nicht wieder davon loskommen und 
steht gebannt — entzückt von der überirdischen 
Schönheit dieser unbegreiflichen Kunst. 
FINIS.
	        
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