der darstellerischen Vollendung nach das Maß dessen weit überschreiten, was die Durch-
schnittsschüler mancher offiziellen staatlichen Anstalten mit künstlerischen Unterrichts-
zwecken zu leisten imstande sind. Bisher galt der Schuldrill, je schärfer gehandhabt, desto
besser, weitaus mehr als die naturgemäße Entwicklung. Durch seine Anwendung lassen
sich gewiß Durchschnittsmenschen en masse heranbilden, nicht aber geistig selbständige
Arbeiter, denn Schule und Kaserne verfolgen doch einigermaßen verschiedene Zwecke. Der
Abstand der Resultate beider Methoden wird durch diese vortreffliche Schulausstellung
eingehender illustriert, als es durch die besten Reden möglich ist. München hat allen Grund,
auf einen Mann wie Dr. Georg Kerschensteiner stolz zu sein. Keiner seiner Vorgänger und
Zeitgenossen hat die Pestalozzischen Ideen so sicher erfaßt, mit so viel Geist weitergebildet.
Gerade dieser Teil der Ausstellung bildet einen wirklichen Glanzpunkt derselben, eine
kulturell bedeutsame Manifestation seitens der Stadtgemeinde München. Ihr bleibt der
Ruhm, in Bayern, in Deutschland bahnbrechend vorgegangen zu sein.
Anschließend daran gewähren die Fortbildungsschulen in ihren mannigfach ge-
gliederten, immer in erster Linie mit Rücksicht auf praktische Exigenzen arbeitenden
Kursen Möglichkeiten aller Art zur Ausbildung künstlerisch wie technisch vortrefflich
unterrichteter Kräfte; sie werden natürlich in erster Linie der lokalen Produktion zugute
kommen, ihr einen festen Stamm tüchtiger Fachleute sichern. Ihnen ist ein weiterer, sehr
umfangreicher Teil der Ausstellung gewidmet.
Die Fortbildungsschule ist für jeden handwerklichen Lehrling obligatorisch ; die daselbst
stattfindenden Lehrkurse können indes auch noch nach Schluß der Lehrlingszeit besucht
werden. Dies war unter den früher befolgten Unterrichtsmaximen, die aus der Fortbildungs-
schule bloß eine an Wert recht fragwürdige Fortsetzung der Volksschule bildeten, nur höchst
selten derFall; heute ist die Zahl derTeilnehmer an den Gehilfenkursen dagegen eine das erste
Tausend weit übersteigende. Die aus diesem, ebenfalls von Dr. Kerschensteiner seit 1905 auf
breitester Basis organisierten, in den munizipalen Einrichtungen Deutschlands vielleicht
einzig in seiner Art dastehenden, mustergültigen Unterrichte hervorgegangenen, in reicher
Zahl ausgestellten Arbeiten aller Branchen der Metalltechnik, rnit Ausnahme der Gold-
schmiedekunst, der graphischen Künste (vor allem Lithographie), des gesamten Buch-
gewerbes inklusive Buchbinderei und aller dabei einschlagenden Arbeiten, der Keramik
einschließlich Glasmalerei, vor allem aber der dekorativen Malerei jedes Genres legen die
Frage nahe: Wozu noch besondere Kunstgewerbeschulen, bei denen das künstlerische
Resultat keineswegs durchweg auf handwerklichem Untergrund zu erreichen gesucht wird?
Gerade die Schule der handwerklichen Maler weist Arbeiten in Menge auf, die mit den
Resultaten der staatlichen Kunstgewerbeschulen in schärfsterWeise zu rivalisieren imstande
sind, besonders aber dadurch schwer ins Gewicht fallen, daß sie von Leuten herstammen,
die mit beiden Füßen in der Praxis stehen, in der Werkstattarbeit, einem absolut sicheren,
guten Fundament, durchaus bewandert sind. Unter den zumeist ohne Gipsmodell aus dem
Stein hergestellten Bildhauerarbeiten dekorativen Charakters, die der nämlichen Schule
entstammen, sind gleichfalls Leistungen von vorzüglicher Qualität - ein ganzer großer Saal
voll - vorhanden. Für gewisse Sparten der Kunst, zum Beispiel die Grabmalbildnerei, die
dekorative Plastik an öffentlichen Gebäuden, zumal an Kirchen, ist dieser frische, gesunde
Zug des künstlerischen Handwerks von größtem Belang, gilt es doch gerade auf diesem
Gebiet, dem seit Jahrzehnten ungestört weiter existierenden Schlendrian, der gedanken-
losesten Produktion den Weg zu sperren, soll nicht das künstlerische Steinmetzgewerbe
völlig auf den Hund geratenf.
" Weitblickend, wie der Schöpfer all dieser, immer kräftiger Wurzel schlagenden Einrichtungen seine
Aufgabe erfaßte, ist es ihm indes keineswegs bloß urn die handwerklich-technische Ausbildung der Lernenden
zu tun. Dafllr steht ihm der Begriifßirziehung" viel zu hoch. Er will nicht den Menschen im Arbeiter unter-
gehen lassen. Zwar erklärt er sich offen und wohl mit vollem Recht gegen die ständig alle Lernenden ohne
Unterschied mehr und mehr belastende allgemeine Bildung. Sie erzieht den Menschen zum Vielwisser, nicht
aber zum folgerichrigen Denken. Die beruflich gründliche Bildung gibt ein richtiges Fundament. Von ihr aus
bauen sich richtige Schlüsse auf andre Gebiete hinüber. Kerschensteiner legt daneben größten Wert auf den