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Nr. 12
Internationale Sammler-Zeitung
Zwei Antiquitätensammlungen.
In der vorigen Nummer der »Internationalen Samm
ler-Zeitung« wurde schon darauf hingewiesen, daß vom
17. bis 19. Juni im Hotel Drouot zu Paris unter Leitung
des Dr. Jakob Hirsch (München-Paris) die Versteige
rung der Kollektionen Jean B. Lambros (Athen) und
Giovanni D a 11 a r i (Kairo) stattfindet. Die Sammlungen
enthalten ägyptische, griechische und römische Alter-
Fig. 5. Bronzestatuette des Ammon.
tümer und sind von einer solchen Bedeutung, daß sie
ein allgemeines Interesse verdienen.
Es gibt wenige Sammler, die nicht den Namen des
athenischen Antiquars Lambros kennen. Durch seine
Hände sind die schönsten griechischen Kunstgegenstände
zu einer Zeit gegangen, wo die Ausgrabungen in Grie
chenland häufig waren und die Kunstwerke wie mit
einem Zauberschlage dem sandigen Boden Hellas ent
quollen. Gewisse Objekte hielt jedoch Lambros eifer
süchtig verborgen, bestimmt, ihm allein Genuß und
Freude zu schaffen, und diese sind es, die nun an das
Licht der Oeifentlichkeit kommen.
Die griechische Keramik war Lambros Lieblings
gebiet, davon hinterließ er wunderbare Probestücke,
angefangen von der unvergleichlichen Serie der Dipylon-
vasen (Fig. l), diesen Zeitgenossen Homers, bis zu dem
attischen Krater des B r y g o s (Fig. 2), von dem die Ex
perten Dr. Jakob Hirsch und Artur Sambon sagen: »Er
is( bestimmt, einen sehr wichtigen Platz in der Ge
schichte der Keramik einzunehmen und ist im wahrsten
Sinne des Wortes une piece d'elite.«
Die Zeichnung der Vase ist denn auch von einer so
sicheren und flotten Pinselführung und einer solchen
Kühnheit der Linien, daß man überzeugt ist, vor der
Schöpfung eines Meisters und nicht vor der trockenen
Kopie eines Handwerkers zu stehen. Doch ist dieses
Stück, wenn auch überragend, nicht vereinzelt in dieser
ausgesuchten Kollektion. Was sind das für reizende
Silhouetten von Frauen auf den Vasen Nr. 51 und 57 mit
ihren graziösen und fesselnden Kompositionen. Da
wohnt menschliches Fühlen und wahre Kunst, einfacher
Sinn und tiefer Ausdruck, dicht beisammen. Dazu gesellt
sich die schöne Serie von attischen Lekythen mit
schwarzen oder roten Figuren auf weißem Grund, von
einer Feinheit und Auserlesenheit der Mache, das man
mit Recht sagen kann, gleich Wertvolles ist in solcher
Auswahl noch nie durch eine Auktion gegangen.
Die Sammlung Dattari ist noch reicher in ihrer Zu
sammensetzung: Marmor, Arbeiten in hartem Stein,
Gläser, Fayencen, Bronzen, Goldschmiedearbeiten, alles
ist hier vertreten, und zwar in einer Fülle, die dem
Aestheten wie dem Gelehrten üppigste Auswahl bietet.
Dattari war Gelehrter und Künstler in einer Person und
das gibt seiner Sammlung das charakteristische Ge
präge. Vor allem begegnen wir unter den Bronzen
Werken ersten Ranges.
Die Reiterfigur Alexanders des Großen (Fig. 3),
eines der Hauptwerke der ptolemäischen Toreutik, ist
ein Stück von außerordentlicher Seltenheit. Der König
ist dargcstellt im Fell des asiatischen Elefanten, erregt
von der Leidenschaft der Schlacht, in heftigster Be
wegung, gleichsam als wollte er seine Soldaten zur Er
oberung des ganzen Erdkreises mit sich fortreißen.
Salomon Reinac h, der große französische Archäologe,
hat diese Bronze jüngst der gelehrten Welt bekannt ge
macht; nun wird sie im freundlicheren Bild des Kata-
loges sich der Allgemeinheit vorstellcn.
Von anderem Charakter erscheint die wunderbare
Statuette des Athleten (Fig. 4), der nach erlangtem Sieg
die Ovationen der Zuschauer empfängt.
Es folgen eine graziöse weibliche Figur, einige
reizende Amoretten, Spiegel, die fesselnde Statuette
eines kranken Sklaven, so ganz der Natur nachgebildet;
ferner wunderbare Tierstudien. Bei all diesen schönen
Sachen, welche der veredelnde Hauch der griechischen
Kultur den geistreichen Künstlern Alexandriens eingab,
können wir mit den wundervollen hieratischen Bronzen
der Pharaonen Vergleiche ziehen. Unter diesen erhebt
sich eine Statuette des Gottes Ammon, des großen
Gottes von Theben (Fig. 5).
Die üoldschmiedekunst ist durch verschiedene
Stücke von großer Schönheit vertreten, so u. a. durch
die große silberne Statuette des Imhotpou, des Aeskulaps
der Aegypter. Unter den ägyptischen Steinskulpturen
sind die Stelen aus der Regierungszeit des Königs
Cheops, des Erbauers der großen Pyramide, zu er
wähnen. Sie geben mit ihren Inschriften die Namen der