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f n t e r n a t i o n a 1 e Sa m in i c r - Z e i t n n g.
Nr. 3
Philatelie.
(Die ersten Briefmarken von Liechten
stein.) Die für Neujahr avisiert gewesenen ersten Brief
marken des Fürstentums Liechtenstein waren bis zum Schlüsse
dieser Nummer noch nicht da. Auf unsere Anfrage wurde uns
mitgeteilt, dati die Marken erst arn ersten Februar zur
Ausgabe gelangen. Betreffs des Verschleißes der Liechten
stein-Marken bestimmt das am 4. Oktober v. .1. zwischen der
österreichischen und liechtensteinschen Regierung abge
schlossene Uebereinkommen im Artikel 4, Absatz 3, folgen
des: »Die Postämter und sonstigen Wertzeichenverschleiß
stellen im Fürstentum Liechtenstein führen für die Werte 5,
10 und 25 7t nur liechtensteinische Frankomarken; sie dürfen
von auswärts einlangende Bestellungen auf diese Franko
marken nicht ausführen, sondern haben solche Bestellungen
an die Wertzeichenverschleißstelle des k. k. Postamtes Wien
]./l zu leiten.«
(Die Sa m mlung H o 11 Lt s c h e r.) Wir haben in
der vorigen Nummer berichtet, daß der Budapester Architekt
Robert H o 11 i t s c h e r seine Markensammlung um den Be
trag von 840.000 K an den dortigen Markenhändler Bela
Szekula verkauft habe. Da sich inzwischen Herrn Hollit-
scher Gelegenheit bot, eine interessante Sammlung von
Spanien und den spanischen Kolonien bei einem römischen
Händler zu erwerben, so bat er von Szekula den spanischen
'Feil seiner Sammlung um einen 10 Prozent höheren Betrag
zurückgekauft. Für die neue Spanien-Sammlung zahlte Hollit-
seher 170.000 Lire.
Porzellan.
(Die Sammlung Gasser in M ii n c li e u.) Am
28. Februar nimmt in der Galerie Hugo H e 1 b i n g in Mün
chen die auf drei Tage berechnete Auktion der Sammlung des
verstorbenen Freiherrn Rudolf v. Gasser, des langjährigen
bayerischen Gesandten in St. Petersburg, ihren Anfang. Die
Bedeutung der Samm
lung liegt in der um
fassenden Zusammenstel
lung der deutschen Ge
fäßkeramik des 16. bis 18.
Jahrhunderts in ihren her
vorragenden Typen und
fast aller Manufakturen.
Die außerdeutsche wie die
figürliche Keramik tritt
dagegen zurück. Beginnend
mit dem rheinischen Stein
zeug, das mit Siegburg,
Raeren und Westerwald in
den mannigfaltigsten Ge
fäßformen (s. den Wester
wälder Steinkrug, Fig. 11)
auftritt, führt der Katalog
zu einer kleinen Gruppe
von Fabrikaten Preußens
und Sachsens. Aeußerst
umfangreich ist das rote
Böttgersteinzeug in seiner
verschiedenen Technik, wie
• F>g. ii. Westerwälder Steinkrug. Gestaltung zusammenge
stellt; glatte reliefierte, geschliffene und glasierte Geschirre,
Nachahmungen deutscher Edelmetall- wie chinesischer Ge
fäße, auch zwei Büsten des Kaisers Vitellins reihen sich
aneinander, unter ihnen manch bemerkenswertes Versuchs-
stück. Von den Konkurrenzfabriken repräsentiert sich das sehr
seltene Plaue a. d. Havel mit zwei Vasen und Ary und Jan
de Milde mit sechs Teekänncben. Bayreuth und Schlesien
steuerten zahlreiche glasierte rote Steinzeuggeschirre mit
Gold- und Silberdekor bei, ein Walzenkrug von 1762 aus
dieser Kategorie weist nach seiner Inschrift auf Meißen als
Entstehungsort. Von großer Bedeutung ist die Abteilung der
Fayencen, unter denen die deutschen dominieren. Eine so große
Anzahl signierter seltener Stücke, deren Marken sämtlich in
Originalgröße im Katalog abgebildet sind, werden nicht viele
Privatsammlungen vereinigen. Die fränkischen und schwäbi
schen Manufakturen sind alle vertreten, ferner zahlreiche nord
deutsche, Delft, Marienberg, einige italienische und französi
sche. Besonders interessante Stücke sind zwei bayerische
Walzenkrüge von 1737 und 1770, ein Nürnberger Walzenkrug,
mehrere Geschirre aus der Kiinersberger Fabrik, darunter
einer von J. M. Frantz, sowie mehrere Stücke deutsches
Bauernirdengut. Einen sehr großen Teil der Sammlung bildet
das Porzellan. Meißen allein weist 150 Nummern auf, dar
unter ganze Services aus verschiedenen Epochen, Geräte mit
Goldchinoiserien, solche mit seltenen Marken, oder aus den
Hofservices, Versuchsstücke, eine sehr schöne Kanne mit der
Darstellung eines Bergwerkes, offenbar von einem Hausmaler,
eine Tasse von C. P. Kühne!, mehrere Figuren, darunter eine
frühe Heilige, wohl nach einem Modell von Gottlob K i r c h-
ii e r. Von den übrigen deutschen Manufakturen schließen sich
an Berlin, Frankenthal mit einer nur in diesem einen Exemplar
nachgewiesenen Diana nach Joh. Friedr, L ii c k (siehe Fig. 12),
Nymphenburg, Ludwigsburg mit einer Vase nach Johann
Georg Trotiie, Höchst mit einer schönen Bouillontasse und
einem Lavoir, Fulda, Ansbach, Fiirstenberg, die thüringischen
Orte, darunter ein reizendes Gothaer Dejeuner, Straßburg,
Wien, schließlich verschiedene holländische, französische, däni
sche, englische und russische Fabriken. In einer letzten Ab-
i teilung wurde eine Kollektion schöner Gläser, überwiegend
aus dem Riesengebirge, große Zunftzinnkannen, mit langer
Legende, und einige Wanduhren zUsammengefaßt. Der Katalog,
der 886 Nummern aufweist, ist auf wissenschaftlicher Grund
lage bearbeitet und mit 22 Lichtdrucktafeln, mehreren Text
abbildungen und vielen Markenklischees ausgestattet. Das
Vorwort hat Dr. Georg L i I 1 geschrieben. — Kataloge sind
von der Firma H e 1 b i n g zu beziehen.
Uhren.
(Master Hump Ii r eys U Ii r.) In London ist jetzt
eine U h r zum Verkauf ausgestellt, die eine literarische Re-
liöuie darstellt. Fs ist zwar nur eine schlichte Tor-Uhr aus
der Großvaterzeit, aber sie hat für viele einen nicht geringen
Wert; stand sie doch seinerzeit im Torweg des Hauses in
B a r n o r d Castle, wo Charles Dickens täglich vorüber
kam und es nie unterließ, bei dem alten Uhrmacher N i c k-
I e b y auf em paar Minuten einzutreten und einen Plausch
mit ihm zu halten. Dem alten Uhrmacher hat er später, als
aus dem Sclircibergehilfen Englands berühmtester Dichter
geworden war, ein literarisches Denkmal in »Nicholas Nick-
leby« gesetzt und hat auch die alte Toruhr nicht vergessen.
Sie hat den Titel für die Romanserie abgegeben, die unter
der Flagge »Master Humphreys Uhr« segelt. Die alte Uhr
selbst war in ihrer Glanzzeit ein wichtiges Inventarstück der
Stadt; sie war die einzige Uhr des Städtchens, auf die man
sich verlassen konnte, und in jenen patriarchalischen Zeiten
wurden die Kinder von ihren Eltern zum Hause des alten
Nickleby geschickt, um die richtige Zeit zu ersehen. Jetzt
wird sie wahrscheinlich einen Platz in dem geplanten Dicketis-
Musetim finden, für das bereits viele interessante Dickens-
Reliquien gespendet wurden.