MAK
Seite 72 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 5 
Zucht seine alle Grenzen überspringende Sehnsucht 
steht; daß die Romantik überhaupt, von Haus aus ein 
süddeutsches Gewächs, an der Spree sein heimisch 
ward und eine eigene Sonderspielart ausbildete. So ist 
es nicht minder in der bildenden Kunst, und in dem be 
deutsamen Ausschnitt, den die vorliegende Sammlung 
darbietet, spiegeln sich diese Züge. 
Die Realisten stellen natürlich die Haupt- und Kern 
truppe. Der alte S c h a d o w, der den von Chodowiecki 
angesponnenen Faden der großen »preußischen Reihe« 
fortführt, hält die Tete. Außer seinen Handzeichnungen 
machen wir bei der lückenlosen Folge seiner Vigano- 
Blätter Halt. Von Franz Krüger ist eine Auswahl 
vorhanden, wie man sie nicht oft so antrifft. Der 
Hauptteil seines graphischen Werkes ist zur Stelle, das 
meiste in besonders schönen frühen Abdrücken, vieles 
auch, wonach man 
sonst vergebens sucht; 
überdies eine Anzahl 
erlesener Handzeich 
nungen in Blei und 
Kreide, die so nahe an 
Menzel heranrücken 
und. ihn im weiblichen 
Porträt fast jedesmal 
übertreffen. Um Krüger 
bewegt sich die statt 
liche Anzahl ähnlich 
gerichteter Talente. 
Eduard Gärtners 
glänzende Zeichen 
kunst ist repräsentiert. 
Ebenso J. F. B o 1 t, 
Fd. M e y e r h e i m, 
S. R ö s e 1. Ein reizen 
des Selbstbildnis von 
Eduard D a e g e, ein 
kulturhistorisch inter 
essantes, blitzsauber 
und doch recht male 
risch ausgeführtes 
kleines Gemälde von 
Z i e 1 c k e, das des 
Künstlers eigenes Zim 
mer schildert — allem 
Anschein nach seine 
erste Berliner Woh 
nung zu Anfang der 
Dreißigerjahre, Ecke 
Friedrich- und Leip 
zigerstraße — Arbeiten 
des Krüger-Schülers 
Ludwig E1 s h o 11 z, 
darunter ein famoses 
Exemplar seines drolligen Malkasten-Festzuges, Blätter 
von den beiden E i c h e n s, von Buchhorn 
und Theodor Rabe tauchen auf. Seiten begegnet 
mann Paul M i 1 a, der am Hofe Friedrich Wil 
helms III. als Porträtist eine Rolle spielte, aber trotz 
seiner T üchtigkeit bis heute in unverdiente Vergessen 
heit geriet. Seltenheiten ähnlichen Ranges sind die fidelen 
und geistreichen Aquarelle von Johann Peter Lys'er 
oder die historisch bedeutsame Darstellung des badischen 
Revoluticnsheeres von dem Wiederum heute zu wenig be 
achteten Friedrich Kaiser. Doch das alles sind nur 
wenige Stichproben, die von dem Reichtum der Kollek 
tion keine Vorstellung zu geben vermögen. 
Besonders wird der Historiker der Lithographie 
auf seine Rechnung kommen. Außer den Mengen hübscher 
Steindrucke, die in den anderen Abteilungen verstreut 
sind, finden sich hier hervorragende Dokumente der 
Senefelder-Kunst, der Aufseessers Neigung von jeher ge 
golten und heute (auch in seinen Plänen für die nächste 
Zeit) mehr als je gehört. Vor allem die stattliche Zahi 
früher Blätter von Wilhelm Reuter, diese Inkunabeln 
der Berliner Lithographie (s. Fig. 10: Badende Nymphe, 
Dat. 1805). Dann die Serie Friedrich J e n t z e n s, in der 
die Bleistift-Vorarbeiten zu seinen Lithograpien nach 
Hasenclever und seine Zeichnung aus der eigenen Werk 
statt hervorstechen. Man sieht Proben der ausgedehnten 
gesellschaftlichen Kunstübung, die im vormärzlichen 
Berlin blühte, namentlich der Tisch- und Fcstkarten, die 
damals von der ganzen Zunft mit unerschöpflicher Laune 
hingeworfen wurden. (Unsere Fig. 11 entstammt einer 
Neujahrskarte für das Jahr 1831 mh aus Scherzfiguren 
gebildeten Buchstaben.) Dabei bemerkt man auch hier 
Bieistiftentwürfe zu be 
kannten Steindrucken; 
sc von Wisniewski. 
Man sieht ferner Bei 
spiele von den dilet 
tantischen Bemühun 
gen in vornehmen 
Kreisen, wie die Litho 
graphien der Prinzessin 
Elisabeth Radziwili, 
deren Gestalt aus der 
Geschichte Kaiser Wil 
helms I. wohlbekannt 
ist. Auch auswärtige 
Künstler, die sich vor 
übergehend in Berlin 
aufhielten, sind ge 
legentlich berücksich 
tigt. Dazu gehört 
Andreas Achen 
bach s Lithographie 
des gestrandeten Drei 
masters »Präsident«. 
Der 7 phantastische 
Zug der Altberliner 
Kunst wird in der 
Malerei fast allein 
durch Karl Blechen 
ausgedrückt, an dessen 
Böcklinisfhe Naturan 
schauung hier wenig 
stens eine felsige 
Landschaft mahnt. Um 
so übermütiger tollt 
sich die Erfindungs 
kraft in der Kleinkunst 
aus. Namentlich in der 
Karikatur, die in unserer 
Sammlung mit ihrem interessantesten Vertreter .1. T. 
B ö h m e r anrückt. Das ist ein Strich, der gar nichts 
mehr von norddeutscher Gebundenheit an sich hat: 
diese Lithographien, denen politische Erbitterung und 
Verhöhnungslust die zeichnerische Sprache gelöst haben, 
dürfen sich, versteht sich in richtigem Abstande, neben 
den gleichzeitigen englischen und französischen Kari 
katuren getrost sehen lassen. Der Großmeister aber aller 
Berliner Laune, Fidelität, Ausgelassenheit und allen 
zeichnerischen Witzes, der sich in dieser Stadt entwickelt 
hatte, bleibt Theodor Hosemann, den die Kunst 
forschung, so sehr sie ihn schon umschmeichelt, noch 
immer nicht in die gebührende historische Stellung ein 
gesetzt hat. 
Es ist bezeichnend für den verständnisvollen Geist, 
der die Sammlung Aufseesser bildete, daß diesem kost- 
Fig. 10. Reuter: Badende Nymphe.
	        
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