Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
4. Jahrgang. Wien, 15. März 1912. Nr. 6.
Die Porzellansammlung Weißberger.
Von August Ströhe! (Prag).
Das Verständnis für die künstlerischen Erzeugnisse
der Porzellanmanufakturen ist noch nicht sehr alt in der
Sammlerwelt. So kommt es, daß diejenigen Sammler,
die noch vor zwanzig, ja zehn Jahren mit Kenntnissen
und Geschmack ausgerüstet, sich an das Sammeln von
Porzellanen machten, für verhältnismäßig geringe Be
träge ganz prachtvolle Schätze erwerben konnten. Sie
fanden sie wohl konserviert, da es sich meist um jeder
zeit noch verwendbare Gebrauchsgefäße oder um so
liebenswürdige und kunstvolle plastische Stücke han
delte, daß die Familien das zerbrechliche Gut als Erb
stücke auch ohne antiquarisches Interesse gut bewahrten.
Selbst bei den eigentlichen Händlern waren damals die
Preise noch erschwinglich. Heute, wo mit der kunst
historischen Aufhellung der Herkunftsverhältnisse die
Sammlertätigkeit auf dem Gebiete der Porzellankunst
methodischer geworden ist, werden bereits fabelhafte
Preise gefordert und auch bezahlt, und Museen und Pri
vate machen sich die wenigen noch in freier Hand be
findlichen Stücke von wirklichem Kunstwert bei jeder
Auktion streitig. Um so höher hat sich natürlich der Wert
rechtzeitig angelegter und abgerundeter Sammlungen
gesteigert. Eine der kostbarsten in privatem Besitze ge
hört dem Prager Kunstfreund und Sammler Vizekonsul
Arnold Weißberger.
Herr Weißberger, der seit fast drei Jahrzehnten mit
verständnisvollster Liehe als Sammler tätig ist, gehört
zu jenen Erfolgreichen, die ihren Geschmack an den
kleinen Kunstwerken aus Kaolin rechtzeitig genug ent
deckt haben. Ganz einzige Stücke, die seither in der
reichen Literatur über das Porzellan immer wieder
zitiert werden müssen, sind so iri den Besitz Weißbergers
gelangt, ln seiner Sammlung sind die meisten berühmten
Fabriken und die bekanntesten Marken vertreten. Der
Stolz des Besitzers und auch der abgerundetste Teil der
Sammlung ist aber das A11 w i e n e r Porzellan.
Mit welchem Verständnis und wohl auch mit welchem
Glück Weißberger hier gesammelt hat, kann schon aus
der Tatsache erhellen, daß das neue große Werk von
Braun-Folnesics über »Altwiener Porzellan« fast in jedem
Kapitel wiederholt veranlaßt ist, die Sammlung zu
zitieren und die einzelnen Stücke detailliert zu be
schreiben. In Fachkreisen also wohl bekannt, verdient
die Sammlung auch an dieser Stelle eine eingehende Be
schreibung um so mehr, als sie trotz der Liebenswürdig
keit, mit welcher der Besitzer und dessen gleich kunst
verständige Gattin ihre Schätze jedem interessierten
Besucher zeigen, gleichwohl nicht ohneweiters zugäng
lich und daher in ihrem ganzen Umfange den großen
Sammlerkreisen fast unbekannt ist.
Vizekonsul Weißberger hat seine Schätze nicht
museumartig verschlossen, sondern betrachtet sie als
integrierenden Bestandteil des vornehm-behaglichen
Luxus, mit dem die Gemächer seiner in einem feudalen
Herrschaftspalais gelegenen Wohnung in der stillen
Belvederegasse ausgestattet sind. So muß man die
kleinen Kunstwerke verstreut auf Konsolen und Ka
minen, in Glasschränken und hoch an den Wänden von
einem. Raum zum anderen aufsuchen und findet durch
den Verzicht auf streng wissenschaftliche Anordnung
eine um so reizvollere Intimität des Eindruckes erreicht,
der den entzückenden Arbeiten einer Zeit, die auch nicht
an das Museum, sondern an den lebendigen Gebrauch
und an die Harmonie mit anderem künstierischen
Schmuck der vornehmen Wohnung dachte, nur von
Vorteil ist.
Von ausländischen Porzellanmanufakturen sind
Sevres und Meissen besonders gut vertreten.
Sevres stellt hauptsächlich tadellos erhaltene Tassen in
der herrlichen blauen Farbe, »bleu de r o i« genannt,
bei, dann die geschätzten Tassen mit sogenanntem
Juwelendekor. Unter den plastischen Arbeiten ist eine
reizende Gruppe »Le Tcurniquet«, modelliert von F a 1-
c o n e t, hervorzuheben. Meissen hat neben mehreren
formschönen Gefäßen, darunter drei verschiedenen Tee
kannen — eine kanariengelb mit Landschaften an den
Seiten, eine andere w'eiße mit beachtenswerter Rokoko-
forinung — auch plastische Gruppen geliefert, so einen
Johann von Nepomuk und ein Exemplar der sogenannten
Kalvariengruppe, die beide als Arbeiten des berühmten
Meißner Modelleurs Kandier anzusprechen sind.
In gleichem Rang dürfen die Erzeugnisse der N i e-
d er wyler Porzellanmanufaktur eingeschätzt werden.
Vizekonsul Weißberger besitzt von diesen Elsässer Pro
dukten mehrere reizvolle Plastiken in Frittenporzellan,
als bemerkenswerteste eine Gruppe, auf der ein Jäger
mit einer Schäferin kost, indes ein flöteblasender
Schäfer von der Höhe eines Hügelchens herab miß
günstig auf die beiden herabschaut. Trotz der Kleinheit
der Figuren ist hier ein so lebenswahrer Ausdruck und