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unternommen werden konnte, um das Reich zu erneuern, aus dessen Krümmern zwei mue
Reiche, Böhmen und Ungarn, erwuchsen.
Mähren unter den Premysliden. Nach dem Sturz des großmährischen
Reiches blieb Mähren eine Zeitlang in der Gewalt der Magyaren, von welchen es erst
infolge der Schlacht auf dem Lechfelde (955) befreit wurde, indem der böhmische Herzog
Boleslav I., der Verbündete Kaiser Otto des Großen, des Magyarenbesiegers, Mähren
und Böhmen vereinigte. Zwar wurde Mähren kurze Zeit von den Polen und später
nochmals von den Magyaren besetzt, es wurde aber den letzteren von dem böhmischen
Herzog Udalrich und namentlich von dessen Sohne Bretislav entrissen, welcher seinen
Sitz in Olmütz aufschlug und das Land als Herzog von Mähren verwaltete. Seine Kriege
mit Polen seien hier nur deshalb erwähnt, weil er aus einem Theile der großen polnischen
Kriegsbeute das erste Kloster in Mähren, Raigern bei Brünn, gründete (1048). Als er
nach dem Tode seines Vaters den böhmischen Thron bestieg (1037), vereinigte er Mähren
mit Böhmen, in welcher Vereinigung es in der Folgezeit dauernd verblieb.
Aber diese Vereinigung wurde die mittelbare Ursache mannigfacher Kriege und
Verwüstungen, denen das Land ausgesetzt wurde. Die nächste Veranlassung bot das
von Bretislav im Jahre 1054 eingeführte Senioratserbfolgegesetz, wornach immer der
älteste des Premyslidenhauses die Regierung in Böhmen antreten sollte, während die
jüngeren Prinzen mit Gebietsantheilen Mährens apanagirt wurden. Dieses Erbfolge
gesetz, an dessen Stelle erst im Jahre 1216 die Primogenitur ciugeführt ward, wurde
jedoch nicht immer befolgt und überdies strebten die in Mähren apanagirten Prinzen die
möglichste Unabhängigkeit von dem böhmischen Herrscher an, so daß Mähren bald und
auf längere Zeit der Schauplatz verderblicher innerer Kriege wurde, welche den Wohlstand
des Landes nicht zur Blüte kommen ließen. Schon der erste Nachfolger Bretislavs, sein
ältester Sohn Spytihnev, welcher zu Lebenszeiten des Vaters Mähren verwaltet hatte
(1047 bis 1054), mußte die üblen Folgen des neuen Erbfolgegesetzes verkosten. Als er die
Regierung in Böhmen antrat, theilte er Mähren unter seine drei jüngeren Brüder in der
Weise, daß Vratislav das Olmützer-, Otto das Brünner- und Konrad das Znaimer-Gebiet
als Apanage erhielten, eine Dreitheilung, welche durch längere Zeit dauerte (bis 1197);
nur vorübergehend wurde auch die Jamnitzer- und Breclaver- (Lundenburger-) Provinz
einzelnen Prinzen als Apanage angewiesen. Die jüngeren Brüder ertrugen nur ungern die
Oberhoheit des böhmischen Herzogs; es kam zu offener Empörung, an deren Spitze
Vratislav von Olmütz stand. Die Empörung wurde unterdrückt und Spytihnev ließ
Mähren wieder in seinem Namen verwalten. Doch söhnte er sich durch Vermittlung des
ungarischen Königs bald mit Vratislav aus, welcher ihm in der Regierung folgte (1061)
und unter seine jüngeren Brüder, Otto den Schönen und Konrad, Mähren derart theilte,
Burg Vöttau an der Thaya.
daß jener den nordwestlichen Theil mit dem Sitze in Olmütz, dieser den südöstlichen mit
Brünn als Hauptstadt erhielt.
Bratislava obwohl in die deutschen Reichsangelegenheiten vielfach verwickelt, behielt
die Bedürfnisse seiner Länder fest im Auge; wir heben hier, was Mähren anbelangt, nur
die Gründung des Olmützer Bisthumes hervor (1063), welche dem Lande eine selbst
ständige Verwaltung in kirchlichen Angelegenheiten sicherte, obwohl die Unterordnung
Mährens unter die Mainzer Metropole natürlich verblieb.
Auch Vratislav, welcher für seine Person die Königswürde von Kaiser Heinrich IV.
erhielt, hatte Mißhelligkeiten mit seinem Bruder Konrad in Brünn, den er mit Waffen
gewalt zur Ruhe bringen mußte, der aber nichtsdestoweniger ihm in der Negierung
Böhmens nachfolgte (1092), jedoch schon nach acht Monaten starb. Sein Nachfolger,
Bretislav II., verletzte der erste das von Bretislav I. gegebene Erbfolgegesetz, indem er zur
Nachfolge, welche dem Seniorate gemäß dem Brünner Herzog Ulrich gebührte, seinen
Bruder Borivoj bestimmte, dem auch Kaiser Heinrich IV. auf Bitten Bretislavs die