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Internationale Sammler- Zeitung
Nr. 2
Von diesen 147 Neuerwerbungen wurden 6 der Abteilung
zum Geschenk gemacht. Besonders erwähnenswert sind unter
den deutschen Handschriften ein Gebetbuch aus dem
14./15. Jahrhundert mit Miniaturen nach älteren Vorbildern,
das Schachbuch des Jacobus de Cassollis, um 1430 entstanden
mit 14 kolorierten Federzeichnungen; Otto von Passau:
Die 24 Alten, geschrieben 1462, mit getuschten Federzeich
nungen; ein Missale in niederländischer Übersetzung, um 1450
entstanden; die Historie von der schönen Magelone mit Feder
zeichnungen, aus der Zeit um 1500. Sieben der orientalischen
Handschriften sind besonders wichtig wegen ihrer Herkunft
aus den Küstengebieten des Meerbusens von Guinea. Eine
davon enthält 30 Porträts osmanisclier Sultane. Ferner ist
noch zu nennen die türkische Reichschronik in zwei Pracht
bänden, eine auf Birkenrinde in Säradä-Charakteren be
schriebene Handschrift eines Fragmentes aus der Kasimir-
Rezension des Rämäyana, endlich eine Chronik der Stadt
Muang Hongsavadi, der Hauptstadt von Pegu, in siamesischer
Sprache.
Numismatik.
(Münzenfund aus der römischen Kaiserzeit.)
ln Villaurbana (Provinz Cagliari, Italien) wurden, in der Erde
vergraben, 287 Bronzemünzen aus der Zeit des römischen
Kaisertums entdeckt und zwar von den Jahren 98 bis 254
n. Chr. (Trajan—Trebonianus Gallus). Der Fund ist wertvoll,
weil die Münzen überaus gut erhalten sind, und weil er beweist,
welcher Münzenreichtum in den Regierungsjahren der Kaiser
Alexander Severus, Jordanus und Philippus in Sardinien vor
handen sein mußte. Übrigens stimmt dieser Münzenreichtum
übeiein mitden bedeutenden öffentlichen Werken (Brücken und
Verteidigungswerken), die unter den genannten Kaisern in
Sardinien .ausgeführt wurden.
Philatelie.
(Neue deutsche Marken mit Überdruck.) Post
wertzeichen , Deutsches Reich" mit dem Überdruck „Post
gebiet Ob. Ost“ werden vom 15. Jänner ab für den Bereich
der neu eingerichteten deutschen Post- und Telegraphen
verwaltung im Postgebiet des Oberbefehlshabers Ost in
folgenden Sorten ausgegeben werden: Freimarken zu 3, 5
10, 20, 40 Pf., Postkarten zu 5 Pf. und Antwortkarten zu
5+5 Pf. Zu Sammelzwecken werden die Wertzeichen bei der
Kolonial-Wertzeichensteuer des Briefpostamts Berlin C 2,
Königstraße 61, zum Verkauf gestellt.
Verschiedenes.
(Don Filippo Massimo Lancellotti.) In Rom ist,
noch kurz vor Jahresschluß Don Filippo Massimo-Lan-
cellotti im Alter von 72 Jahren gestorben. Fürst Lancellotti
war eine der merkwürdigsten Erscheinungen der vornehmen
römischen Gesellschaft. Er gehörte wie alles, was in der ewigen
Stadt den Namen Massimo führt’ zum sogenannten schwarzen
Adel, der auch nach der Vereinigung Roms mit dem König
reich Italien dem Papst als weltlichem Beherrscher des
Kirchenstaats treu ergeben blieb und die piemontesische
Herrschaft nicht anerkannte. Don Filippo, ein Sohn aus
zweiter Ehe des Fürsten Camillo Massimo, ehemaligen päpst
lichen Oberpostmeisters und Enkel einer sächsischen Prin
zessin, gab seinem Groll über den Raub des Patrimonium
Petri noch einen eigenartigen besonderen Ausdruck, indem
er vom Tage des Einzugs der Piemontesen in Rom, 20. Sep
tember 1870, das große Einfahrtstor seines Palastes schließen
ließ, was eine althergebrachte Form der öffentlichen Bekun
dung von Familientrauer in den römischen Patrizierkreisen
ist. Seit mehr als 45 Jahren hat Don Filippo Massimo, der
seit 1865 den Fürstentitel Lancellotti führte, und außer-.der
gleichnamigen Villa in Frascati (ehemals Piccolomini) aus
gedehnten Grundbesitz im. Albanergebirge sein eigen nannte,
in der bezeichnten Form unentwegt um den Untergang des
Kirchenstaates getrauert. Mit ähnlichem Eigensinn hat er
über der ihm gehörigen durch die Bebauung des Esquilin
hügels sehr zusammengeschrumpften Parkanlage der Villa
Massimi unweit des Laterans gewacht. In dem zierlichen
Barockkasino dieses Garten“ befindet sich nämlich eines der
schönsten und bedeutendsten Denkmäler der durch Cornelius,
Overbeck und ihren Kreis vor 100 Jahren begründeten
romantisch-deutschen Kunstrichtung der sogenannten Naza
renerkunst. Der damamlige Besitzer der Villa Massimi ließ
nämlich von 1816 bis 1828 durch Overbeck, Philipp Veit,
Joseph Anton Koch, Führich und Julius Schnorr in drei
Räunien des Erdgeschosses Fresken zu den Dichtungen des
großen Dreigestirns Dante, Tasso und Ariost ausführen, und
trotz römischer Verwahrlosung machen diese Wand- und
Deckengemälde der deutschen Meister heute noch auf den
Beschauer einen mächtigen Eindruck. Aber der verstorbene
Fürst Filippo behütete diesen Schatz mit eigentümlicher
Eifersucht, indem er die Besichtigung auf alle erdenkliche
Weise erschwerte und die Erlaubnis zum Photographieren
oder Zeichnen nach diesen Gemälden unerbittlich verweigerte.
Die Folge war, daß von den vielen Tausenden von Rom
reisenden nur ein ganz, kleiner Teil dieses herrliche Denkmal
deutscher Malerei auf römischem Boden zu Gesicht bekam,
und daß dasselbe fast in Vergessenheit geraten ist. Es wäre
nicht unmöglich, daß dieses geflissentliche Verbergen der
Werke deutscher Künstler in einem ursächlichen Zusammen
hang mit der entschiedenen Abneigung gegen Deutschland
stünde, von der die Gattin Don Filippos, eine geborene Fürstin
Aldobrandini, beseelt ist und von der sie auch als Nach
barin der dem deutschen Kaiser gehörigen Villa Ealconieri
in Frascati manche Zeugnisse geliefert hat.
(Tod bekannter Sammler.) Am Silvestertag starb in
Mülheim a. Rh. hochbetagt der Geheime Sanitätsrat Doktor
Ernst Hölscher, mit dem einer der letzten rheinischen
Sammler alter Kunst dahingegangen ist. Besonders bevorzugte
er die holländische Malerei; doch enthält die Sammlung
Hölscher, von der ein Teil in die Sammlung eines Verwandten,
des Geheimrats Stumpf in Charlottenburg übergegangen ist,
auch einige deutsche Primitive, Franzosen und Italiener. Der
verstorbene Kölner Gemälderestaurator H. Fridt war ein
sachkundiger Berater des liebenswürdigen alten Herrn gewesen.
Von dem in Mühlheim verbliebenen Teile der Sammlung
Hölscher hat jüngst Dr. Ed. Plietzsch einen handschrift
lichen Katalog hergestellt.
(Ein Atlas für 90.000 Mark.) Aus Leipzig wird uns
geschrieben: In den Besitz des Antiquariats von Karl W.
Hiersemann ist eine Kostbarkeit ersten Ranges gelangt:
ein Hafen-Atlas (Portulan-Atlas) von Battista Agnese,
dem bedeutendsten italienischen Kartenzeichner des 16. Jahr
hunderts. Der Preis dieser außerordentlichen Seltenheit be
trägt 90.000 Mark! Der Atlas, von dem eine Beschreibung
bisher nicht vorlag, ist ein Quartlederband und besteht aus
26 starken Pergamentblättern, die im ganzen 23 farbige
Karten enthalten; angefügt sind zwei Seiten Tafeln mit
geographischen und astronomischen Berechnungen. Agnese
hat den Atlas eigenhändig mit seinem Namen gezeichnet und
das Datum: „Venedig, 8. August 1559" angefügt. Alle Karten
sind sehr genau und fein ausgeführt, die Farben frisch erhalten;
die Küsten sind schwarz, blau und rot umrändert, keine
insein sind grün, blau oder goldig ausgemalt. Eingezeichnete
Gebäude und Figuren sind rot mit goldener Ausmalung dar
gestellt. Durch die hohe Zahl von 23 Karten zeichnet sich der
Atlas vor den meisten bisher beschriebenen Agneseschen
Atlanten aus. Besonders wichtig und wertvoll sind seine
Spezialkarten, darunter Corsica, Malta, Kreta, Palästina,
Ägypten, Amerika und Afrika. Die interessanteste dieser
Karten betrifft Amerika und behandelt den Weltteil in
auffallender Ausführlichkeit. Die Küste Nordamerikas wird