Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
11. Jahrgang. Wien, 15. August 1919. Nr. 15/16.
Eugen Miller von Aichholz.
Zu den Wiener Sammlern, deren Namen weit über
die Gemarkungen der schwarz-gelben Grenzpfähle
guten Klang hatten, gehört der am 27. Juli im Alter
von 84 Jahren verschiedene Eugen Miller von Aich
holz.
Eine echte Sammlernatur, begann Miller mit dem
Sammeln schon als—Achtjähriger. Nach einer Operation,
die der Knabe überstanden hatte, bekam er von den
Eltern als Belohnung zehn Gulden. Und mit diesem
Gelde kaufte er bei einem Antiquitätenhändler ein
Bild, eine Landschaft mit einer Mühle, die den Grund
stein einer Sammlung bildete, die später eine Sehens
würdigkeit Wiens werden sollte.
Betrat man das Patrizierhaus in der Prinz Eugen
straße, so grüßten einen schon im Treppenhausc drei
prächtige Gemälde von Tiepolo, die früher im Pa
lazzo San Pantaleone in Venedig hingen, Bilder von
unübertrefflicher Wärme des Kolorits, welche die Ge
schichte des Coriolan darstellten. Und die „Rumpel
kammer“, wie Miller in bescheidener Selbstironie die
Säle nannte, die war ein wahres Museum. Unter ,'den
alten Gemälden ein Carlo Crivelli, ein Ghr. Paudiss,
ein dem Perugino nahestehendes Madonnenbild, ein
dem Van Dyck zugeschriebenes weibliches Porträt;
unter den plastischen Arbeiten: Terracotta von Ver-
r och io, zwei Marmorbüsten von Donatello (Por
träts aus der Familie der Bentivoglio), ein Kruzifix
und eine Madonna von Raphael Donner, Adler und
Gazelle (Thon, bemalt) von Giovanni da Bologna,
ein großer hölzerner Christus, eine Arbeit des sech
zehnten Jahrhunderts, und anderes.
In der modernen Abteilung fielen in erster Linie
die unterschiedlichen Pettenkofen auf, deren er
mehr als hundert zusammenbrachte. Viele von ihnen
hatte der Künstler eigens für den Sammler gemalt,
mit dem ihn jahrelange innige Freundschaft verband.
Und wie von Pettenkofen kaufte Miller von Aichholz
auch von Rudolf von Alt so manches Aquarell direkt
von der Staffelei weg — zu Preisen, die einem heute
lächerlich erscheinen würden.
Neben Bildern und Plastiken besaß Miller von
Aichholz ein prachtvolles italienisches Möbelkabinett
aus dem sechzehnten Jahrhundert’, eine ausgezeichnete
Zusammenstellung von venezianischen Gläsern, ita
lienischen Majoliken, deutschem Steinzeug, sowie
kleinere Kollektionen von antiken Gegenständen, Waf
fen und Musikinstrumenten. Eine Besonderheit bildete
seine Sammlung von Kunstfälschungen. Denn Miller
von Aichholz war nicht bloß ein begeisterter Kunst
sammler, sondern auch ein gediegener Kunstkenner,
der Echtes von Falschem unterschied und der in seiner
Sammlung von Falsifikaten ad oculos demonstrieren
konnte, worin die Fälschung bestand und wie sie be
werkstelligt wurde.
Was Eugen Miller von Aichholz zuletzt noch von
all den Herrlichkeiten sein Eigen nannte, wissen wir
nicht, denn vor etwa Jahresfrist verlautete, daß ei
serne Sammlungen an zwei deutsche Kunsthändler
verkauft habe, die sie zu geeigneter Zeit unter den
Hammer zu bringen gedächten. Dann erst wird sich
zeigen, ob er sich all seiner Schätze entäußert hatte
oder ob er manches zurückbehielt. In Erinnerung ist
uns, daß er schon vor Jahren einzelnes aus seinen
Sammlungen abgab; , so ging ein Marmorköpfchen
(lachendes Kind) von Donatello aus seinem Besitz
in den Gustav Bendas über, der gleichfalls zu den
hervorragenden Sammlern Wiens zählt. Nur daß
dessen Sammlung unzugänglich und darum weniger
bekannt ist, als die Millers, der seine Kostbarkeiten
in früheren Jahren wiederholt einem größeren Publi
kum erschloß.
Wie es kam, daß Miller von Aichholz den Dona
tello an Benda verkaufte ? Das war eine der Schwä
chen Millers, die er mit vielen Sammlern teilte. So
wenig er es sich verdrießen ließ, wenn es sein mußte,
auch viele Jahre einem Kunstwerke, das er gerne be
sitzen wollte, nachzustellen, konnte er, wenn er es
einmal hatte) nicht der Lockung widerstehen, es
wieder zu verkaufen, wenn ihm ein besonders hoher
Preis dafür geboten wurde. Und das war bei dem
Lachenden Kind von Donatello der Fall, das Benda
ungemein gefiel und für das er eine bedeutende
Summe opferte. Es hat übrigens Benda^ Freude an
dem Besitz nicht zu schmälern vermocht, als später
Zweifel an der Urheberschaft Donatellos auftauchten
und man das Marmorköpfchen dem Desiderio da
Settignano zuwies. Es -wäre auch keine schlechte
Firma, meinte Benda, die wäre auch das Geld wert.