Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 2
Seite 14
ihr wichtige Dokumente für die Geschichte der Malerei der
letzten Jahrzehnte. Thoina, Liebermann, Triibner, Lovis Corinth,
Slevogt, Hadler, Monet, Renoir, Sisley, Pissaro, Gauguin, Picasso,
und Van Gogh. Einzelne Stücke, wie Renoirs Bildnis seiner
Gattin, gehören zu den Meisterwerken der Epoche.
(SehopenhauersBrieftasche.) Die Berliner Staats
bibliothek besitzt ein eigenartiges Schopenhauer-Dokument, die
Brieftasche des Philosophen, die er auf der italienischen Reise
1822/23 benutzt hat. Es sind 160 mit Tinte und Bleistift be
schriebene Seiten mit vielen Notizen, die in den Hauptwerken
Schopenhauers keine Aufnahme gefunden haben, obwohl gerade
sie ihn bei der philosophischen Arbeit mit einer seltenen Un
mittelbarkeit zeigen. Die Brieftasche soll jetzt mit einem Begleit
text von Leo Kl erneut bei Trowitzsch <S Sohn in Berlin in
Faksimiledruck veröffentlicht werden.
(Das Sammeln von alten Glasmalereien) ist ein
Steckenpferd, dassich nur Millionäre leisten können. Die schönsten
Glasmalereien stammen aus der Zeit vor 1550, aber da diese
Kunstgegenstände sehr leicht zerbrechlich sind, so haben nicht
viele die letzten 300 Jahre ii': standen; vollständige Stücke sind
daher sehr selten und sehr teuer. Ein einfaches Glasfenster
aus dem 15. Jahrhundert, das eine Darstellung von drei Figuren
zeigte, wurde kürzlich für 5000 Pfund Sterling in London ver
kauft, und das war noch sehr billig. Auf der Versteigerung der
Lawrenne-Sammlung in New-York brachte im vergangenen Jahr
eine einzige Scheibe aus einem Glasfenster des 13. Jahrhunderts,
nicht größer als ein großes Zeitungsblatt, die Summe von 80.000
Dollar. Auf der Scheibe waren nur der Kopf und die Schultern
eines Heiligen zu sehen. Ganz kleine Stücke von alten Glas
malereien, die irgendein Medaillon oder ein Wappen zeigten,
tauchen häufiger auf dem internationalen Kunstmarkt auf,
und Sachkenner finden da noch ein reiches Feld, auf dem
sie hohe Werte verhältnismäßig billig erstehen können.
Infolge ihrer Seltenheit und Kostbarkeit sind Glasmalereien
sehr häufig der Gegenstand von Fälschungen, und diese
werden so geschickt ausgeführt, daß sie schwer zu erkennen
sind. Der sicherste Beweis für die Echtheit und das Alter
einer Glasmalerei sind die durch das Wetter hervorgerufenen
Veränderungen, die in dem Glas winzige Löcher, meist so klein
wie Nadelstiche, verursachen. Diese Löcher hat man trotz vieler
Versuche nicht nachahmen können. Aber diese wichtigsten
Zeichen der Echtheit verringern wieder den Wert des Stückes,
sodaß der Sammler nicht selten vor der peinlichen Frage steht,
ob er sich lieber mit einem sicher echten aber schlecht erhaltenen
Stück begnügen will oder eine vortreffliche Glasmalerei vor
zieht, deren Echtheit jedoch nicht über alle Zweifel erhaben ist.
(Mittelalterliche Siegelstempel.) In Königs-
felden sind in den letzten Jahren zwei wohlerhaltene bronzene
Siegelstempel des 14. und 15. bis 16. Jahrhunderts gefunden
worden. Das ältere Stück ist von spitzovaler Form und zeigt
die Eigentümlichkeit, daß der Name wie das Amt des Siegel
inhabers nicht in der Schrift zum Ausdruck kommt. Vielmehr
finden wir nur eine Anrufung der heiligen Märtyrerin Catharina
von Alexandrien und das Standbild der Heiligen mit ihren ge
wohnten Attributen (Schwert und Rad). — Der zweite Bronze
stempel, rund, zeigt in der Mitte den Wappenschild des Ge
schlechtes von Mülinen und auf einer Bandrolle die Umschrift:
Anna von Mülinen. Wahrscheinlich handelt es sich um das
Siegel der um 1524 aus dem Kloster Königsfelden ausgetretenen
Priorin Anna von Mülinen, welche den Guardian Heinrich Sinner
geheiratet hat. Der Chronist Anshelm gibt ihr den Vornamen
Anna, andere nennen sie Agnes.
(Vom R o 1 a n d s 1 i e d.) In einem voluminösen, eben er
scheinenden Werke „Du Nouveau sur la Chanson de Roland“,
versucht Prof. P. Boissonnade von der UniversitätPoitiers
die Entstehung, das Datum und den Dichter des Heldenliedes
neu zu beleuchten. Emile Henriot resümiert im „Temps“
diese Resultate wie folgt: Das französische Rolandslied ist das
Werk eines fahrenden Geistlichen aus der Nähe des Klosters
Mont-Saint-Michel, eines kultivierten und die Feudalhöfe der
Zeit gut kennenden Sängers; er hat die Helden, die er
unter legendären Namen beschreibt, selber gekannt und ihre
Taten an Ort und Stelle mit eigenen Augen gesehen. Seine
Dichtung ist eine Schlüsseldichtung und ein historisches Monu
ment. Um den Schlüssel zu finden, studierte Boissonnade die
noch wenig bekannte Geschichte der französischen Kreuzzüge
gegen die spanischen Sarazenen, die zwischen 1018 bis 1250
nicht weniger als 35 Expeditionen umfaßt. Aus der Dichtung
glaubt er nun den geographischen Ort und die Epoche annä
hernd genau identifizieren zu können: der Ort der Dichtung
wäre das nördliche Spanien, das Bassin des Ebro. Sie kann nicht
vor 1120 und nicht nach 1130 geschrieben sein, wahrscheinlich
1125. Wie die Oertlichkeiten, sucht der Gelehrte auch die Per
sonen der Dichtung mit zeitgenössischen Personen zu identi
fizieren. Als Dichter gibt Boissonnade den im letzten Vers ge
nannten Turold, obschon sich Bödier nicht mit Bestimmtheit
über die Tätigkeit dieses Turold glaubte aussprechr zu dürfen,
weil er nach dem Wortlaut entweder Kopist odeen Bearbeiter
oder Rezitator sein könnte. Den Namen Turolds fand Boisson
nade aber erstens im Verzeichnis der Wahlberechtigten der
Abtei von Saint-Michel, zweitens in den Büchern der Abtei der
Notre-Dame der spanischen Stadt Tudela bei Saragossa, wo ihm
eine Schenkung gemacht wurde. Da Fudela das Leben des
normannischen Kreuzfahrers Rotrou du Perche und Turold nor
mannischer Geistlicher ist, hat die Hypothese einen Schein von
Wahrscheinlichkeit.
(Marc Henri M e u ri i e r.) In Brüssel starb der belgische
Radierer Marc Henri Meunieur, der sich während der letzten
Jahre, namentlich durch seine den Krieg behandelnden Radier
ungen einen Namen gemacht hat.
MUSEEN.
(Vom Welser Mtiseu m.) Aus W e 1 s wird uns be
richtet: Die Neuaufstellung der Sammlungen ist vollendet, ln
den zuletzt zugänglich gemachten Räumen fesselt zunächst die
geologische Sammlung den Besucher: da findet man Hand
stücke von Granit, Schlier, Lehm und Gneis, Tertiärsand, Trans
portstücke der Traun, geologische Funde aus dem Salzkammer
gut usw. Ueber die Bodengestaltung bei Wels gibt eine Profil
darstellung des Gebietes Haiding—Wels—Steinhaus Aufschluß.
Eine sorgfältig zusammengestellte kleine Vogel- und Insekten
sammlung zeigt Probender heimischen Fauna. Weiterschrei
tend, trifft man sofort ein hübsches Beispiel für das werktätige
Interesse, das der fürsorgliche Obmann des Museumsauschusses,
Stadtrat W i e s i n g e r, dem Museum entgegenbringt. Es ist eine
erlesene Sammlung von A q u a.r e 11 b i 1 d c h e n, die Wiesinger
gemalt hat und die die charakteristischen Formen der ober
österreichischen Bauernhäuser, wie das Vierseithaus des Inn-
viertels, das Einheitshaus der Alpenländer zeigen, Ein Schrank
enthält Trachtenstücke, alte Gürtel, Goldhauben, prunkvolle
„Totenkronen“ etc. Wels’ Vergangenheit auf industriellem Ge
biete ist durch Fundstücke aus den Hafnerhäusern in der Pfarr-
gasse Nr 9 und Nr. 14 vertreten, durch Kachelformen, durch
Schwarzhafner- oder Eisentonwaren, durch Fayencen und durch
die Abbildungen von Welser Töpfermarken. Ein Prunkstück
Welser Fayence bildet der „Willkomm“ der Schneider aus dem
Jahre 1772. Auf die Textilindustrie deutet ein alter Webstuhl
hin, daneben sieht man allerhand „Ersatzstoffe“ der Kriegszeit.
Die Papierindustrie ist durch das Modell eines „Holländers“
und durch eine Sammlung von Wasserzeichen der Welser Papier
mühle (1554 bis 1746), dann aus Steyr, Salzburg und Krems
münster (1559 bis 1708) vertreten. Sehr umfangreich ist die
Ausstellung der graphischen Industrie, die Proben aller Druck
verfahren umfaßt. Auch eine Schlüsselsammlung, Lebzelter- und
Wachsziehermodeln, Votivgaben, Haus- und Herbergszeichen,
alte Greislermaßeln, Schuhmacher- und Handschuhmacherlampen
und die Handwerkerordnungen früherer Zeiten dürfen nicht über
sehen werden. Alle diese Reliquien stammen aus dem 17., 18.
und 19. Jahrhundert. An die Heilkunde früherer Zeiten gemahnen
ein tragbarer Kasten mit allerhand Gerätschaften eines „Baders“
(Spende der Frau Pilz), ein paar Zahnziehzangen (Spenden
des Herrn Schmidt) und die „Blätter der Erinnerung an die
erste Generalversammlung der oberösterreichischen Wundärzte“,
die in Wels am 26. Oktober 1863 stattfand. Zum Schlüsse seien
noch die Stücke erwähnt, die an Wels’ großen Sohn Alois Auer
von Welsbach erinnern, der in der Fischergasse Nr. 33 das
Licht der Welt erblickte und dann in Wien als Direktor der
Hof- und Staatsdruckerei wirkte.
(Ein neues Schlo ß-M u s e u m.) In Schwerin ist
in aller Stille das Schloß am Schweriner See als Museum er
öffnet worden. Unvergleichlich schön auf der Seeinsel gelegen,
kann dieses Schloßmuseum den besten seiner Art zugezählt
werden, ln seinen geschichtlichen Teilen wurde es ganz der
Oeffentlichkeit zugänglich gemacht, nachdem in dem Auseinander
setzungsvertrag mit den früheren Großherzog der Staat sich
zur Erhaltung und Darbietung dieses Besitzes verpflichtet hatte.
Der frühere Großherzog selbst hat durch große Leihgaben den
Schloßmuseumsplan unterstützt. Das Hauptgeschoß gibt ein rei
ches Bild fürstlicher Kultur vom 16. Jahrhundert an. Hier wurden
mit dem ehemaligen Schloßbesitz sehr viele schöne Stücke aus
den Sammlungen des Museums vereinigt, die dort im Gedränge
nicht zur Wirkung kamen. Das Untergeschoß nahm die kunst
gewerblichen Fachsammlungen auf. Man findet hier neben
schönen Frühwerken Meißner Porzellan, wie sie in ähnlicher
Reichhaltigkeit wohl nur die Dresdener Sammlung besitzt, e i n
Königin-Luise- Zimmer: der gesammte Privatschmuck
der Königin ist hier vereinigt, in zahllosen Einzelstücken, deren
bisweilen ergreifende Schlichtheit des Materials bei vollendeter
Formgebung die Größe einer bitterarmen Zeit vor Augen führt.
Die Waffenhalle ist noch in ihrer musealen Ausgestaltung be
griffen. Der kostbare Inhalt dieser Sammlung an Kriegs-, vor
allem aber an Jagdwaffen wird sie zu einer Sehenswürdigkeit
für sich machen.