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INTERNATIONALE SAMMLER - ZEITUNG 
Nr. 8 
JSavaricü. 
Das Antiquariat Theodor Ackermann in 
München, eines der ältesten und angesehensten 
Deutschlands, hat eben seinen 600. Katalog ausge 
geben. Wer die Mühe und die Kosten kennt, die die 
Herstellung eines Kataloges verursacht, wird dieses 
Faktum gebührend zu würdigen wissen; bei Acker 
mann kommt noch hinzu, daß seine Kataloge mit 
peinlicher Gewissenhaftigkeit verfaßt sind und auch 
strengen wissenschaftlichen Ansprüchen Rechnung 
tragen. 
Der Jubiläumskatalog, der mit einem Titelholz 
schnitt aus dem Jahre 1514 geschmückt ist. und auch 
sonst eine Reihe von interessanten Blättern repro 
duziert, ist in der. Hauptsache der Bavarica-Literatur 
der alten Zeit gewidmet, die von einem erstaunlichen 
Reichtum ist: sie nimmt von den 2780 Nummern gut 
neun Zehntel ein, der kleine Rest fällt auf die stamm 
verwandten Nachbarländer Tirol und Salzburg, Das 
Geleitwort hat Georg Jacob Wolf beigesteuert, der 
selbst ein begeisterter Bavarica-Sammler, für seine 
Liebhaberei die wärmsten Töne findet. Wolf 
schreibt: Theodor Storm erzählt in seiner Novelle 
„Eine Halligfahrt“ von der Bibliothek des einsiedle 
rischen Vetters, der mit seinen Erinnerungen, ver 
gessenen Schätzen und geliebten Büchern in dem 
großen Hallighaus auf der öden Insel bei den Silber- 
rnöven haust. „Das ist Strandgut“, sagt der alte 
Vetter und seine Hand gleitet liebkosend über die 
abgegriffenen Rücken seiner langen Bücherreihe, 
„Strandgut“; denn fast alles sind Antiquaria. Die 
einstigen Besitzer sind gestorben, verschollen, zu 
grundegegangen; ihre Bücher sind in alle Welt ge 
trieben, behende und geschäftskundige Leute fisch 
ten sie wieder auf und haben sie verkauft; nun 
stehen sie hier eine Weile beisammen, bis ihrem 
jetzigen Besitzer das gleiche Los fällt . . .“ 
Diese Worte gehen mir oft durch den Sinn, wenn 
ich meine eigene kleine Sammlung alter bayerischer 
Fig. 2, Rembrändt, Abrahams Opfer. 
Auktion bei Hollstein & Puppel vom 6. bis 8, Mai. 
Fig. 3. Bonnet, junges Mädchen. 
Auktion bei Hollstein & Puppel vom 6. bis 8. Mai. 
Bücher mit liebendem Auge betrachte und den einen 
oder anderen Band aus dem Regal nehme, den 
L>eckel aufschlage und ein Exlibris eingeklebt finde, 
das einem längst Verstorbenen eigen war, wohl auch 
nur einen Namenszug mit ausgeblichener Tinte hin 
geschrieben, einen Namen, der mir nichts mehr sagt, 
der Schall und Rauch geworden ist und doch davon 
Kunde gibt, daß einer vor mir dieses Buch besessen 
und geliebt hat, aus seinen Blättern Kenntnisse ge 
wann wie heute ich und wohl mancher noch nach 
mir. 
Dies eben ist das Besondere und Eigenartige, ist 
die fortwirkende Kraft, ist das Traditionbildende an 
einer Antiquaria-Samtrilung, und zumal an einer, die 
sich auf ein Spezialgebiet beschränkt, daß sie nicht, 
gleichsam „konfektioniert“, aus einem neuzeitlichen 
Buchladen kommt, sondern daß sie von einem 
Sammler zum andern geht und ihm ein Stück Per 
sönlichkeit mitvererbt, daß sie das Resultat eines 
jahr- und jahrzehntelangen, oft mühevollen Sammelns 
ist, das Ergebnis manchmal geradezu abenteuerlicher 
Beutezüge, deren Freuden und Enttäuschungen dem 
rückblickenden Sinn gleich kostbar und lehrreich 
sind. 
Ein besonders gepflegtes Gebiet innerhalb der 
Antiquaria-Sammeltätigkeit und des Antiquariats 
handels sind bei uns in Bayern und München die 
Bavarica- und Monacensia-Sammlungen. Ich kenne 
ihrer eine ganze Reihe und betrachte, wenn ich ihre 
Besitzer besuche, manches Exemplar, das ich nicht 
in meiner Sammlung habe, voll heimlichen oder auch 
voll unverhohlen geäußerten Neids, In der leiden 
schaftlichen, obschon stillen Welt der Büchersamm- 
ler nimmt man solche Gefühlsäußerungen nicht übel, 
man findet sie nicht erstaunlich, sondern fühlt sich 
durch sie geschmeichelt und gewinnt den eigenen 
Bücherbesitz darüber nur um so lieber. Denn es gibt
	        
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