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INTERNATIONALE SAMMLER-ZEITUNG
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„Büchlein vom Silberstift“. Interessanten Aufschluß
über die Feinfühligkeit dieses großen Kenners geben
seine Lebenserinner ungen, die er unter den Titeln
„Leben und Meinungen eines Bauernjungen“ und
„Von der Scholle herauf" herausgegeben hat. In
Meder geht einer jener seltenen Gelehrten dahin,
deren innere Universalität sich die äußere Form der
größten Bescheidenheit und Demut gewählt hat.
JCein Seid für den Codex Sinaiticus.
Das Britische Museum in London steht vor der
Tatsache, daß es wahrscheinlich schon in Kürze jene
berühmte Bibel, den Codex Sinaiticus, wie
der verkaufen muß, dessen Erwerbung zu Weih
nachten der Welt mit so sieghafter Freude verkündet
worden war. Der Verkauf wird dadurch notwendig,
daß die fällige Kaufsumme nicht durch Stiftungen
zusammenkommt, andererseits aber das Museum
Wechselverpflichtungen in Höhe von 100.000 Pfund
eingegangen ist. Die Bibel ist also mit Wechseln
des Britischen Museums bezahlt, ohne daß eine
Rücklage für die Wechsel vorhanden wäre.
Als MacDonald im Parlament kurz vor dem
Weihnachtsabend den Kauf der Ȋltesten Bibel der
Welt« erwähnte, glaubte man allgemein, daß die
fehlenden 50,000 Pfund in wenigen Tagen aufge
bracht werden würden. MacDonald hatte sich ver
pflichtet, aus Staatsmitteln für jedes freiwillig ge
zahlte Pfund ein Pfund beizusteuern, so daß also
50,000 Pfund aus der Staatskasse fällig wurden —
wenn man die restlichen 50.000 Pfund stiftete. Bis
heute sind genau 8000 Pfund gezeichnet worden.
Rechnet man die 8000 Staatspfunde hinzu, dann feh
len noch 84.000 Pfund an dem Preis,
Nachdem man inzwischen erfahren hat, daß es
sich nicht etwa um die älteste, auch nicht um die
schönste, sondern um die teuerste Bibel handelte
(die älteste ist in Rom und die drittälteste und
schönste bereits seit Jahren im Britischen Museum),
hat man alle Hoffnung aufgegeben, die fällige Summe
aufzubringen.
Nur ein Land kann sich über die Bibel freuen
— und das ist Sowjetrußland, dem die Engländer
das Buch abkauften. Die Russen verstanden es sehr
geschickt, einen »Privatinteressenten aus Amerika«
in die Verhandlungen hineinzubringen, so daß die
Engländer glaubten, dieser Privatmann werde die
Bibel zu einem höheren Preis erwerben. Deshalb
ging man rasch auf die Bedingung der Russen ein,
bar zu bezahlen.
Nun rauft man sich im Britischen Museum die
Haare und überlegt vergebens, woher man die 84.000
Pfund nehmen soll. Und da spricht man eben davon,
daß es das einfachste sei, die Bibel wieder zu ver
kaufen. Wenn man jetzt nur so einen Privatmann
hätte, wie ihn die Russen damals an der Hand
hatten . . ,
Dante-Porträt oon Sfiichelangelo.
Aus Rom wird uns berichtet:
Wie die Direktoren des Vatikanischen Museums
und der Vatikanischen Galerien in einer Konferenz
des Instituts für Dante-Archäologie mitteilten, ist in
dem großen Fresko Michelangelos in der
Sixtinischen Kapelle unter den den Welt
richter umgebenden Personen ein Porträt Dan
tes entdeckt worden. Im Laufe der Untersuchung
wurden bisher 700 Photographien des Meisterwerkes
gemacht, um die Möglichkeit eventueller Restaura
tionsarbeiten zu prüfen. Ein Vergleich des Kopfes auf
dem Fresko mit den bestehenden Porträten des gro
ßen italienischen Dichters hat die Richtigkeit der
Agnoszierung ergeben.
Die Restaurationsarbeiten an dem Gemälde dürf
ten sich sehr schwierig gestalten, da die Fresken
stark zersprungen sind. Die Blässe der Farben ist
allerdings nicht auf die zerstörende Wirkung der
Jahrhunderte zurückzuführen. Wie bekannt, wollte
Michelangelo nach der Aufdeckung der Fres
ken, zu der ihn der Papst gedrängt hatte, die Figuren
noch einmal mit stärkeren Farben, mit Gold und
Glanzlichtern übergehen, doch ließ sein Rivale Bra-
m a n t e das Malergerüst wegreißen. Es wäre zu
kostspielig gewesen, das Gerüst nochmals aufzustel
len, auch hatte Michelangelo sich schon neuen Auf
gaben zugewandt. Trotz mehrfacher Interventionen
des Papstes und seiner freundlichtuenden Feinde
blieben die Fresken, wie sie nun schon einmal waren.
Prof, B i a g e 11 i, Direktor der päpstlichen
Pinakothek, hat die Maltechnik Michelangelos
in der paolinischen Kapelle untersucht und berich
tete nun darüber vor der päpstlichen Akademie für
Archäologie,
Auf einer rauhen ein Zentimeter dicken Unter
lage, die aus zwei Teilen Pozzolanerde und einem
Teil Kalk besteht, führte Biagetti aus, ließ Michel
angelo nach gründlicher Anfeuchtung die Tünche
anbringen, und zwar in der Ausdehnung, wie er sie
im Laufe eines Tages bemalen will. Bei diesen
Fresken hat er die frühere Methode fast ganz auf
gegeben, die Umrisse des Kartons mit einem Nagel
nachzuzeichnen. Statt dessen staubt er die Tünche
durch den gelochten Karton ein. Vor sich hat er
nur die Grundfarben, die er an dem Tage benötigt
und modelliert am Vormittag mit dem Pinsel, um am
Nachmittag die helldunkeln Schleier darüber zu
ziehen, die uns durch ihre verschwimmenden Ueber-
gänge in Bewunderung setzen.
Die Farben, die er braucht, sind wenige und
einfache; es ist die traditionelle Palette des Fresko
malers; denn die großen Künstler wissen, daß das
eigentliche Merkmal der Freskomalerei in seiner
monumentalen Einfachheit besteht. Die Farben, die
Michelangelo verwendet hat, sind wohl nur diese:
gelbe, rote, grüne und sieneser Erde, roh und ge
brannt, goldgelb, schwarze Erde oder Kohle, violettes
Eisenoxyd, Lapislazzuli-blau.
Die Diapositive der Bekehrung des Paulus, die
6.25 Meter zu 6.61 Meter groß sind, zeigen, daß es
aus 85 Tüncheabschnitten besteht, die ebenso vielen
Arbeitstagen entsprechen. Diese Abschnitte sind
ganz verschieden groß, so als ob der Künstler ein
mal von der größten Schaffensfreude erfüllt war,
ein andermal aber, wo die Stücke ganz klein sind.