1. ER SACRUM.
Ygraine: Komm hierher, Tintagiles... du wcisst
ja, dass meine Arme weicher sind und man in ihnen schnell
genest... Gib ihn mir, Bellangere... Er wird sich auf
meinen Schoss setzen, und es wird vorübergehen... Da,
siehst du, was es ist? Deine grossen Schwestern sind hier...
Sie sind um dich... wir werden dich schützen und das Böse
wird nicht kommen können...
Tintagiles:Esist da, Schwester Y graine... W arum
ist kein Licht da... Schwester Ygraine?
Ygraine: Es ist Licht da, mein Kind... Siehst du
nicht die Lampe, die vom Gewölbe herabhängt ?
Tintagiless Ja, ja... Sie ist nicht gross.., Gibt es
hier keine andere?
Ygraine: Warum brauchst du eine andere? Man
sieht, was man zu sehen braucht...
Tintagiles: Ah!...
Ygraine: O! Deine Augen sind tief!...
Tintagiles:Diedeinen auch, SchwesterYgraine...
Ygraine: Ich hatte es diesen Morgen nicht bemerkt
... Man weiss nicht recht, was die Seele zu sehen glaubte...
Tintagiles; Ich habe die Seele nicht gesehen,
Schwester Ygraine ... Aber warum ist Aglovale da auf
der Schwelle?
Y g r a i n e: Er ruht ein wenig... Er wollte dich küssen,
bevor er schlafen geht... Er wartete, bis du erwacht
wärest...
Tintagiles: Was hat er auf den Knien?
Y graine: Auf den Knien ? Ich sehe nichts auf seinen
Knien...
Tintagiles: Doch, doch, er hat etwas...
Aglovale: Nicht viel, mein Kind... Ich betrachtete
meinen alten Degen; und ich erkenne ihn kaum... Er
hat mir manches Jahr gedient; aber seit einiger Zeit habe
ich alles Vertrauen zu ihm verloren, und ich fürchte, er
wird zerbrechen... Es ist beim Korb da ein kleiner Fleck...
Ich habe bemerkt, dass der Stahl erblich und frugmich...
Ich weiss nicht mehr, was ich frug... Meine Seele ist heute
recht schwer... Was willst du, dass man dabei thun soll?
... Man muss wohl leben und das Unerwartete erwarten...
Und dann muss man handeln, als ob man hoffte... Man
hat solche ernste Abende, wo das nutzlose Leben einem in
die Kehle steigt und man die Augen schliessen möchte...
Es ist spät, und ich bin müde...
Tintagiles: Er hat Wunden, Schwester Ygraine...
Ygraine: Wo denn?
Tintagiles: Am Haupt und an den Händen...
Aglovale: Das sind sehr alte Wunden, von denen
ich nichts mehr leide, mein Kind... Das Licht muss wohl
diesen Abend darauf fallen... Du hast sie bis jetzt nicht
bemerkt?
Tintagiles:Er sieht traurig aus, SchwesterY graine..
Ygraine: Nein, nein, er ist nicht traurig, aber sehr
müde...
Tintagiles: Du auch, du bist auch traurig, Schwe
ster Ygraine...
Ygraine: Abernein, aber nein, du siehst doch,dass
ich lächle...
Tintagiles: Und die andere Schwester auch...
Ygraine: Aber nein, sie lächelt auch...
Tintagiles: Das, das ist kein Lächeln... Ich weiss
wohl...
Ygraine: Schau; küss'mich und denk'an etwas
anderes... (Sie umarmt ihn.)
Tintagiles:W oran, Schwester Y graine ? — W arum
thust du mir weh, wenn du mich so umarmst?
Ygraine: Ich habe dir weh gethan?
Tintagiles: Ja... Ich weiss nicht, warum ich dein
Herz schlagen höre, Schwester Ygraine...
Ygraine: Du hörst es schlagen?
Tintagiles: O, o! Es schlägt, es schlägt, als wollte
es ...
Ygraine: Was?
Tintagiles: Ich weiss nicht, Schwester Ygraine...
Ygraine: Du musst dich nicht grundlos beun
ruhigen, noch inRäthseln sprechen... Da! Deine Augen
sind nass... Warum geräthst du in Verwirrung? Ich höre
auch dein Herz... Man hört es immer, wenn man sich so
umarmt... Alsdann sprechen sie zusammen und sagen sich
Dinge, die die Zunge nicht kennt...
Tintagiles: Ich habe vorhin nicht gehört...
Ygraine: Weil damals... O, aber das deine!.. .
Was hat es denn?... Es zerspringt!...
Tintagiles (schreit): Schwester Ygraine! Schwester
Ygraine!
Ygraine: Was?
Tintagiles: Ich hab's gehö: t!... Sie... sie kommen!
Ygraine: Aber wer denn?. ..Was hast du denn?...
Tintagiles: Die Pforte! Die Pforte! Sie waren
daran!...
(Er stürzt hintenüber auf Ygrainens Schoss.)
Ygraine: Was hat er denn?... Er ist... er ist ohn
mächtig! ...
Bellangere:Gib acht.. .gib acht... er wird fallen...
A glo vale (erhebt sich hastig, den Degen in der Hand): Ich
höre auch... man naht auf dem Gange.
Ygraine: O!
(Stille — sie lauschen.)
Aglovale: Ich höre — es ist ihrer eine Menge...
Ygraine: Eine Menge... welche Menge?
Aglovale: Ich weiss nicht... man hört und man
hört nicht... Sie gehen nicht wie die anderen Wesen, aber
sie kommen... Sie rühren an die Pforte...
Ygraine (drückt Tintagiles convulsivisch in ihre Arme):
Tintagiles!... Tintagiles!... .
Bellangere (umschlingt ihn gleichzeitig): A uch ich!..
Auch ich!... Tintagiles!...