SAG!
[ER SACRUM.
DIE ERSTE AUSSTELLUNG
DER VEREINIGUNG BILDENDER
KÜNSTLER ÖSTERREICHS.
Am 25. März hat die Vereinigung; bildender Künst
ler Österreichs im Gebäude der Gartenbaugesellschaft ihre
erste Ausstellung eröffnet. Das Interesse des kunstfreund
lichen Publicums wandte sich ihr alsbald in einem Masse
zu, das die lange verbreitete Meinung widerlegt, als ob
W ien sich für bildende Kunst nicht sonderlich interessiere. Es
ist aber auch hervorzuheben, dass gerade die ausdrückliche
Ausschliessung aller landläufigen Marktware diese Aus
stellung in den glänzendsten Kunstmarkt verwandelt hat.
Jedenfalls zwei beherzigenswerte Momente.
Die Anordnung der Ausstellung war von dem Bestre
ben geleitet, jedem Werke die Bedingungen für seine künst
lerische Wirkung nach Möglichkeit zu sichern. Jedes wurde
in mässiger Höhe angebracht, so dass der alte Kampf um
die „Cimaise“ vermieden ist. Die verschiedenen Werke des
nämlichen Künstlers sind in eine Gruppe gefasst, so dass
seine Kunst in einem organischen Zusammenhang vorge
führt wird. Die Wandbekleidungen schaffen günstige Hin
tergründe; vor weissgefältelten Stoffen finden zartgetonte
Bilder ihre volle Stimmungskraft; in ruhigem Dunkelroth
oder Dunkelgrün gespritzte Wände wirken luftiger als glatt
getünchte; Friese und anderes Ornament von stilisierten
Pflanzen sind ganz ruhig, auch in ihrem matten, fast ton
losen Gold gehalten, so dass sie nicht zum Selbstzweck wer
den. So sind es echt moderne Schauräume. Ein viereckiger
Mittelsaal dient als Foyer. SeineWände,in mattem Dunkel
grün, haben ein aufstrebendes Pflanzenornament, dessen
helle Sternblüten sich in Mittelhöhe zu einem umlaufenden
Fries zusammenschliessen. Lebendige Pflanzen und Blu
men fügen sich mit auserlesenen modernen Möbeln und
Nippsachen in neuen Techniken zu Plauderecken zusam
men, die dem Beschauer zeigen, was er aus seinem eigenen
Heim machen kann. Ein mächtiger Rundbogen öffnet sich
in eine halbrunde Apsis, unter deren blühweissem, blumen
kelchartig gerafftem Zeltdach, von helltönigen Bildern um
geben, PUVIS DE CHAVANNE S' Cartons zu dem neuen
Genovefa-Dreibild im Pariser Pantheon aufgestellt sind.
Für diese Zuwendung ist die Vereinigung dem Grossmei
ster der modernen französischen Grossmalerei zu warmem
Danke verpflichtet, da noch keine nichtfranzösische Aus
stellung in der Lage war, sich mit einem so bedeutenden
Werk seiner Hand zu schmücken. Aber auch der eben
bürtige deutsche Meister, unser Kunsterneuerer Arnold
BÖCKLIN, ist würdig vertreten, da Se. k. Hoheit der Prinz
regent von Bayern der königlichen Pinakothek gestattet hat,
das gewaltige Bild: „Spiel der Wellen“ hier auszustellen.
Es hat den Ehrenplatz in einem der vier grossen Seitensäle
erhalten, denen sich noch ein fünfter im ersten Stock und
mehrere Cabinete beigesellen. Das ans Secretariat stos
sende Ver Sacrum-Zimmer ist als modernes Gemach mit
moderner Einrichtung durchgeführt; die Möbel blau mit
blankem Kupferornament, die billigen Draperien mit stili
sierten Sammtblumen benäht, die Deckenbalken sogar mit
Reihen von Thierfiguren durchbrochen.
Der Ausstellungsstoff selbst ist sehr mannigfaltig. Die
grössten Meister des Auslandes haben die Ausstellung, man
kann sagen, „brüderlich“ beschickt. Dadurch wurde es
möglich, den Wienern eine umfassende Rundschau über
das internationale Kunststreben unserer Zeit zu verschaffen.
War es doch das Nothwendigste, dem etwas peripherisch
gelegenen Wien zu zeigen, was und wie der Geist der „Se
cession“, das heisst der künstlerischen Befreiung, in den
grossen Kunstmittelpunkten schafft. So erfüllt die Ausstel
lung vor allem ihre erziehliche Aufgabe. Anderseits aber
muss sie auf die Wiener Kunstbegriffe berichtigend ein
wirken, wenn der Beschauer erfährt, dass diese neueren,
neuesten und allerneuesten Dinge draussen keineswegs
mehr um ihr Recht aufs Dasein kämpfen, sondern längst
die Herrschaft angetreten haben. Ein Puvis, Besnard, Henri
Martin beherrscht die Saaldecken und Wände der Kirchen
und Staatsgebäude in Paris. Diese Neumeister überfluten
alle Gallerien, vom Luxembourg bis zur Pinakothek.
Draussen glaubt kein Mensch mehr daran, dass Kunst