gewerbe gerade am ausländischen wieder erstarken und anziehungskräftig werden
soll. Als Graf Leo Thun 1850 seine Vorschläge für die Reorganisation des
Kunstunterrichts machte, schloss er sich in der Hauptsache dem „Naturalisten"
Waldmüller an. Die bald darauf einreissende Verdauung aller Verhältnisse brachte
auch diesen Anlauf ins Stocken. Das interessanteste Moment aber in diesem
Bürgerkriege war Metternichs Eingreifen, der den kühnen Bahnbrecher Wald-
müller gegen die Beschwerde seiner akademischen Inquisitoren in Schutz nahm.
„Die Akademie", rescribirte der Fürst wie ein Erz-Secessionist, „ist keine Zwangs-
anstalt, welche dem Lehrer wie dem Schüler verbieten kann, dem eigenen Genius
zu folgen." Die jetzige Massenausstellung Waldmüllefscher Bilder, gegen
80 Nummern, demonstrirt aber auch die praktischen Bestrebungen dieser
ursprünglichen Künstlernatur. Wir haben erst neulich von einem seiner Zeit-
genossen, Friedrich von Friedländer, gehört, wie der alte Waldmüller klagte,
dass er nicht mehr jung genug sei, um eine ganz andere Malerei anzufangen. Ange-
fangen aber hat er sie doch. Er malte einfach Freilicht; schon damals! Die
gesarnmte Collegenschaft und Kritik erklärte ihn für toll, dass er „sich einrede,
man müsse sich in die Sonne setzen, um die Sonnenwirkung zu malen". Sieht
man jetzt seine damaligen Versuche, wie den prächtigen „Kirchgang" (Stadt
Wien), wo alle Theilnehmer von der Sonne geblendet sind, die aber auch optisch
und coloristisch auf ihnen liegt, oder die „Unterbrochene Wallfahrt" (Baron
Richard Drasche), wo freilich bei aller Sonnenkraft noch die Schwere der Farbe
nicht ganz gelöst ist, so wird man von Bewunderung für diese frühe Zukunfts-
kunst erfüllt. Dass der Landschafter Waldmüller in diesem Zusammenhange
bedeutend wächst, ist selbstverständlich. Trotz der etwas altväterischen Hand-
schrift sind Naturgefühl und atmosphärische Stimmung in Bildern wie „I-lütteneck
bei Ischl" (Stadt Wien) noch heute vollgiltig und die Grossartigkeit seines Baum-
schlages setzt immer wieder in Erstaunen. Niemals ist Calame darin so charak-
teristisch gewesen. Eine noch gar nicht „rnodeme" Landschaft, wie „Am Liechten-
stein" (Eigenthum des Herrn L. ReithotTer) kann sich an Klarheit der Form und
Eindringlichkeit der malerischen Empfindung mit jedem Ruysdael messen. Die
bekannten Lawinen von Kindern, die nebst dem kleinbürgerlichen Tendenzgenre
einst den grössten Beifall fanden, n-eten heute mehr zurück, weil ihr male-
rischer Gehalt geringer erscheint. Aber auch unter diesen Bildern gibt es welche,
wie die grosse, iigurenreiche „Schulprüfung" (Herr Reithotfer), die in ihrer
unakademischen Anordnung, unerschöpflichen Charakteristik und unbestechlichen
Naturtreue die höchste Anerkennung eines Herkomer oder Kroyer finden würden.
Das ist ein Denkmal von Wiener Gediegenheit aus einer Zeit, deren unverwüst-
liche Palisandersehränke jetzt gottlob wieder Verständnis finden. So ist es das
I-Iauptverdienst der Jubiläumsausstellung, dass sie dem alten Waldmüller seinen
Rang für alle Zukunft sichert, sowie die Schubertausstellung vor zwei Jahren die
Ansichten über Schwind und Danhauser wesentlich zu deren Gunsten berichtigt hat.
Auch sonst hat die Ausstellung ziemlich viel vormärzliche Kunst aufzu-
weisen. Insbesondere wird man mit Interesse den Erzvater Jacob Alt stattlich
aufmarschirt und mit Ansichten, wie die vorn Strassburger Dom, eine höhere
Stufe der Schätzung erreichen sehen. Von einzelnen stets beliebten Meistern
sieht man auch aufgelegte Curiosa, so von Peter Fendi (dessen fabelhaftes
„Familienvereinigung des A. h. Hauses" man übrigens mit immer neuem Erstaunen
wiedersieht) eine grosse Folge vonWasserfarbenbildern zuSchillefschen Gedichten