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entwickelt sich hier in langsamer Procession; von einem Relief zum andern
wechseln die Gegenstände, Karyatiden bezeichnen die Grenzen zwischen
den einzelnen Berufsarten und stützen die Decke. Je weiter man aufwärts
kommt, desto mehr verfeinert sich die Arbeit, die Thätigkeit des Geistes
steigert sich und ganz oben im Lichte herrscht der reine Gedanke, vorgestellt
durch den Künstler, den Poeten und den Philosophen. Ober ihnen sind unter
freiem Himmel auf dem höchsten Gipfel der Säule zwei geflügelte Genien,
die Segnungen, die aus ihren Armen und ihren gebogenen Flügeln die
Gaben der Liebe und Freude ausschütten, die der Arbeit die Fruchtbarkeit
verleihen.
Die Massverhältnisse des Werkes sind noch nicht festgestellt (übrigens
soll der Auftrag noch kommen, durch den der Künstler erst in die Lage
versetzt werden könnte, ein so kostspieliges Monument zu errichten) aber
wahrscheinlich würde die Säule ungefähr den Durchmesser der Trajanssäule
haben, das heisst 3 bis 3'5o Meter; die Schneckenbahn würde 2'5 Meter breit
sein; das Ganze vielleicht 8 Meter im Durchmesser haben; endlich würde
sich die Höhe aus ungefähr zehn Spiralgängen von 2'5o bis 3'0 Meter Höhe
ergeben; die Basreliefs würden der Grösse nach dem panathenäischen
Friese entsprechen.
Das ist der letzte Entwurf Rodins, prächtig und grossartig in der
Auffassung, mit Rücksicht auf Ort und Zeit, sowie auf die ewig giltigen
Gefühle, wie dies bei allen Meisterwerken der monumentalen Kunst der Fall
war. Möchte es dem Künstler recht bald gegönnt sein, ihn zu verwirklichen!
Das wäre die stolze Krönung eines Lebenswerkes, das ganz der Verherr-
lichung des Lebens gewidmet war.
DIE VILLA DES HERRN ALFRED GINZKEY
IN MAFFERSDORF BEI REICHENBERG 50'
VON MORIZ DREGER-WIEN 50
lN freundliches welliges Hügelland, das bei all
den Windungen der durchziehenden Strassen
immer neue reizvolle Blicke auf einen fernen
Gebirgszug, nahe Waldtheile, tief unten liegende
Teiche, auf Wohnhäuser und die allenthalben
verstreuten Industriestätten bietet, dazu Wagen
und Leute, Summen und Pfeifen aus den Werk-
stätten: es ist ein ganz eigenthümliches Leben,
eine Verbindung von Stadt und Land, wie man
sie in der Schweiz manchmal trifft, in St. Gallen
etwa, das überhaupt manche Vergleichspunkte mit der Reichenberger
Gegend bietet. Mit dieser Umgebung suchten die Architekten offenbar auch
den Sitz der Fabriksherren in Einklang zu bringen.