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Gebiete des Kunstgewerbes,
der ornamentalen Kunst über-
haupt gibt. Nirgendwo in der
Kunst finden wir so wenig sub-
jektive Eigenart, so wenig extra-
vagante Seitensprünge, so viel
ruhige, typische Entwicklung.
Die Weberei arbeitet für einen
grossen Bedarf, sie schafft
Massenartikel und nicht Einzel-
leistungen, sie hat daher nicht
mit individuellem Geschmacke,
sondern mit dem der grossen
Menge zu rechnen. Die Muster
der Weberei entsprechen dem
allgemeinen Geschmacksniveau
einer bestimmten Epoche und
geben diese treuer wieder als
jede andere Kunstgattung. Das
ist für die Kunstforschung von
ganz enormer Tragweite. Dreger
ist der erste, der diesen Punkt
Spätantiker, bunter Seidenstoft" mit der Darstellung Simsons (?) . .
(Aus Dreger, "Künstlerische Entwicklung der Weberei und effasst und S9 d"? Textllkunde
Stickerei", Wien, k. k. Hof- und Staatsdruckerei) vQn einer ggwöhnlichen Dis-
ziplin der ornamentalen Künste
zu einer der wichtigsten I-Iilfswissenschaften der Kunstgeschichte empor-
gehoben hat. Aber so nachgiebig und schmiegsam die Technik der Weberei
gegenüber dem Willen des Künstlers ist, so schwierig und kompliziert
erscheint sie dem Laien. Daraus erklären sich so manche Mängel der bis-
herigen Darstellungen.
Die Stickerei ist viel individueller. Persönlicher Geschmack macht sich
in ihr geltend, die von anderen Künsten geschaffenen Muster können oft ohne
erhebliche Schwierigkeiten ihrer Technik angepasst werden, namentlich die
Flachmuster der Goldschmiede- und der Buchornamentik. Ihre Zierformen
sind nicht wesentlich von denen anderer Künste unterschieden. Während
zum Beispiel der romanische und der gotische Stil im Abendlande unfähig
waren, der Weberei Muster zu liefern und diese während beider Epochen
auf Byzanz und den Orient angewiesen war, arbeitete die Stickerei mit aus-
gesprochen romanischen und gotischen Kunstformen sowohl in den Figuren
als in den Ornamenten. Auch darin hat Dreger schärfer als andere bisher
gesehen und insbesondere den orientalischen Ursprung verschiedener Stoff-
muster gotischer Zeit betont, namentlich den der gefiammten, welche von
modernen Restauratoren ob ihrer „Stilechtheit" mit Vorliebe zur Dekorierung
von Kirchenwänden benützt werden.