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Volltext: Monatszeitschrift III (1900 / Heft 6)

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aufrecht und kühn auf einem, mit episodischen Reliefs geschmückten Piedestal 
stehend, das die, mit der Geberde der Dankbarkeit sich gegen ihn wendende 
Gestalt des Vaterlandes trägt. 
Im Jahre 188g wurde in Damvillers (Meuse), dem Dorfe, in dem 
Bastien-Lepage geboren wurde, das Denkmal des grossen Landschafters 
enthüllt, das zu schaffen am Tage nach seinem Tode, der Freund des 
Verstorbenen, Rodin, beauftragt wurde. Der Künstler ist dargestellt, wie 
er, ganz eingenommen von seinem Plein-air-Studium, mit dem Mantel mit 
Pelerine bekleidet, den er bei seinen Wanderungen durch das Land zu 
tragen pflegte, in vorgebeugter Haltung den Effect der Gegend, in die er 
eben gerathen ist, betrachtet. 
Wenn der Aufstellung dieses Denkmals nicht zu grosse Schwierigkeiten 
begegneten, so war dies mit dem Monumente Claude Gelees in Nancy, mit 
dessen Ausführung Rodin 1883 betraut wurde, nicht ebenso. Und dennoch 
ist es eines der schönsten Werke dieses Künstlers. Auf einem hohen 
Piedestal zeigt sich der Maler in einer aufmerksamen Pose, das forschende 
Auge gegen den Horizont gerichtet, gegen die aufgehende Sonne, in der 
Hand die Palette, bereit das Licht zu fassen und festzuhalten. Unten aber, 
aus der durch den Fond des Piedestals dargestellten Nacht, aus deren 
Tiefen sie emporsteigen, rennen und schnauben die durch Apollo geführten 
Sonnenrosse, ungeduldig mit den Füssen die Wolken zerreissend - eine 
bewundernswürdige Gruppe, so weise angeordnet und ausgeführt, dass das 
Licht wahrhaftig aus den weichen marmomen Wogen zu dringen scheint, 
den Genius des Künstlers, als den Schöpfer des Lichtes, in greifbarer Form 
versinnlichend. Dieses so logische Ensemble war jedoch nicht nach dem 
Geschmacke der Bewohner von Nancy; als sie alle Theile für sich betrachtet 
hatten, ohne sich um deren Zusammenhang viel zu kümmern, bewunderten sie 
einmüthig das blitzende Piedestal, die Statue aber war ihnen zu unbedeutend. 
Es bedurfte der hingebenden Beharrlichkeit zweier künstlerisch denkender 
Geister, des Meisters Emile Galle und des Kunstkritikers Roger Marx, den 
Widerstand der Autoritäten zu überwinden und nach neun Jahren die 
Annahme des Monuments zu erwirken, das trotz aller Drohung, es wieder 
zu entfernen, heute noch auf der Place de la Pepiniere steht. 
Ein gleicher Empfang wurde dem Denkmal der Bürger von Calais 
zutheil (bestellt im Jahre 1888). Man muss es übrigens sagen, dass noch 
kein Werk Rodins sich so entschieden von jeder akademischen Formel, von 
jedem bei Denkmälern gebräuchlichen I-Ierkommen befreit hatte. Man kennt 
die heroische That des Eustache de Saint-Pierre und seiner fünf Gefährten, 
die sich zusammen opferten, um die Stadt vor der Zerstörung zu bewahren, 
die der racheerüillte Sieger Eduard III. von England befohlen hatte. Der 
Chroniqueur Froissart berichtet über die Einzelnheiten in farbenreicher 
Weise, voll Naivetät und Kraft. Rodin konnte nichts Besseres thun, als sich 
hievon ganz durchdringen zu lassen, im Gedanken völlig zum Zeitgenossen 
dieser sechs bürgerlichen Helden zu werden, um sie so darstellen zu können,
	        
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