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Volltext: Monatszeitschrift X (1907 / Heft 10)

die Ferne strahlt. Die Wände sind außen mit dünnen weißen Marmorplatten belegt, 
benagelt könnte man sagen; alles Metall ist Kupfer, auch das Eisen steckt in Kupferhülsen. 
Die Fassade zeigt vier schablonenwidrige Säulen, die ein großes Vordach durchsetzen und 
Engelliguren (von Schimkowitz) tragen, über dem Tor ein großes Lünettenbild (Gottvater 
zwischen Heiligen und Adam und Eva thronend) von Kolo Moser, die Ecken sind turm- 
artig entwickelt mit interessanten Bekrönungen (Sitzliguren St. Leopold und St. Severin, 
von Luksch). Sonstiger Schmuck des Äußeren höchstens eine Abwechslung von goldenen 
Kränzen und Kreuzen im Fries. Dabei ist jedes Detail so eigen empfunden und selbständig 
gebildet, auch die Behelfe (wie die Annagelung der Marmorplatten) so von heute, daß das 
Auge reichlich beschäftigt wird. Das Innere ist weiß, unten Marmorplatten, oben Putz. 
Das Verhältnis ist 1 : 1, ebenso breit als hoch, so daß der Blick des Eintretenden gleich 
das Ganze umfaßt. Die Decke ruht fast nur auf vier starken Doppelpfeilern; eine Kirche 
ohne Wände, könnte der Konstrukteur alten Schlages sagen. Die Zierkuppel, die den 
Raum nach oben abschließt, schon um die Akustik nicht in den „SchlauclW zu verflüch- 
tigen, hängt an der oberen Konstruktion als einfaches Gefüge von vergoldeten Eisen- 
tippen, zwischen welche die Rabitzplatten eingehängt sind. Sie gesteht dies übrigens 
ehrlich ein, indem sie oben vier schmale Breitfenster mit farbigen Symbolen der Evange- 
listen nach dem oberen Kuppelraum öffnet. Der Raum erscheint weit größer als er ist, 
dabei ungemein luftig und taghell. Zwei mächtige, dreifache Fenster an den Wänden rechts 
und links sind mit ganz helltonigen Glasmosaiken von Moser belebt. Die Szenen stellen 
einen Zug von Heiligen vor, der sich dem Hochaltar zu bewegt und rnit dem Kolossal- 
mosaik an der Wand hinter diesem zusammenstimmt, vielmehr zusammenstimmen würde, 
wenn man dieses Hauptbild nicht nachträglich Moser aus der Hand genommen und 
Ederer übertragen hätte. Dieser ist der Arbeit leider keineswegs gewachsen. (Es besteht 
dermalen die Hoffnung, daß doch noch Moser auch dieses Bild machen wird, für das seine 
ungewöhnliche stilistische Eignung ihn vorbestimmt erscheinen läßt.) An weiterem Wand- 
schmuck sind einige eingefügte Bilder jettmars zu vermerken. Kabinettstücke moderner 
kunstgewerblicher Erfindung und Ausführung sind Hochaltar und Kanzel; hauptsächlich aus 
Goldbronze, Altartisch und Schranken aus weißem Marmor. Farbige Glasflüße sind edel- 
steinartig verwendet, am Hochaltar auch farbige Bronzefiguren betender Engel (Schim- 
kowitz) in strengem Reliefsül. Praktischen Anforderungen ist mit Wagnerscher Gewissen- 
haftigkeit Rechnung getragen. Sehen und Hören ist tadellos, alles Sanitäre sorgsam 
beachtet, auch das Keimfrei-Erhalten, die Vorrichtungen zur Reinhaltung. Ein Rettungs- 
zimmer ist vorhanden, ja selbst das Weihwasserbecken ist aseptisch, denn es hat fließendes 
Weihwasser. Der Fußboden senkt sich gegen den Hochaltar hin, um das Sehen der 
heiligen Handlung zu erleichtern. Die Bänke für (800) Patienten sind eigens so eingerichtet, 
daß das Wartepersonal bei irgendwelchem Zwischenfall sofort eingreifen kann. Die Orgel 
mit vollständig sichtbarem Pfeifenwerk klingt gewaltig, die Sprechstimme mit vollkom- 
mener Klarheit. Der Akustik wegen sind alle Ecken und Kanten abgerundet und die Wand- 
Bächen durch senkrechte Furchung wellenförmig gestaltet, so daß der Schall vollständig 
zerstäubt wird und gleichmäßig überall hingelangt. Die Kirche, die bei allen Beteiligten den 
größten Beifall fand, ist jedenfalls ein großer Erfolg und für den ferneren Kirchenbau, 
nicht nur in Wien, von grundlegender Bedeutung. 
UNSTLERHAÜS. Der Herbst hat wieder das gewohnte Leben in dieses Haus ge- 
bracht und mancherlei Merkwürdigkeiten sind da zu sehen. Das künstlerisch Hervor- 
ragendste ist die aus Wiesbaden hieher gelangte Wanderschau von Plastik Albert Bartho- 
lomes. Sogar sein Monument „Aux Morts" vom Pere Lachaise ist hier in Gips vollständig 
zusammengestellt, sogar mit Nachahmung der Bodengestalt. Die Einzelheiten desselben 
sind schon in der Sezession nach und nach bekannt geworden. Daß es beim Publikum einen 
großen Erfolg hat, merkt man schon an den mancherlei Reduktionen und Varianten der 
einzelnen Figuren oder Gruppen, die in Bronze und Marmor für den Handel bestimmt sind.
	        
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