DER WOLFGANGSALTAR IN KEFERMARKT,
EIN WERK RIEMENSCHNEIDERS? Sie VON
PHILIPP MARIA HALM-MUNCHENSIP
ER Hochaltar von Kefermarkt, eine der bedeutendsten
alpenländischen Schöpfungen der Spätgotik, ist
neuerdings, angebahnt durch die sorgfältige bild-
nerische Veröffentlichung dieser Zeitschriftf
wieder mehr in den Mittelpunkt kunstgeschicht-
lichen Interesses gerückt worden, vielleicht nicht
zum wenigsten durch die merkwürdigen Taufen,
die das Werk über sich ergehen lassen mußte. Es
will keineswegs verkannt werden, daß der Altar,
bedingt durch seine örtliche Ausnahmsstellung,
manche Frage in sich trägt, für die sich eine
Antwort ohne weiteres kaum finden läßt, aber zu einem aus weiter Ferne
zitierten deus ex machina, heiße er nun Tilmann Riemenschneider oder Veit
Stoß, war keine Notwendigkeit gegeben, wenigstens nicht für den, der mit
den örtlich und geschichtlich zunächst liegenden Gebieten und Verhält-
nissen etwas näher vertraut ist. Allzu fest scheint selbst Hermann Ubell von
seiner Riemenschneider-These nicht mehr überzeugt zu sein, denn in seiner
Erwiderung auf meine Ausführungen will er „sich nicht der Einsicht ver-
schließen, daß die von Lübbecke vorgebrachten Argumente zugunsten
engerer Beziehungen des Altars zu Veit Stoß sehr erwägenswert seien".
„Vielleicht", meint er, „hat die damals (1505-1510) in voller Blüte stehende
Werkstätte des Würzburgers die tüchtigsten Kräfte der eben damals brach
liegenden und verfemten Werkstätte des Veit Stoß an sich gezogen? Daraus
wäre ja manches zu erklären."
Der Ausweg, den Ubell hier einschlägt, erscheint zwar außerordentlich
einfach und bequem, ist aber aus mancherlei Gründen nicht gangbar. Ganz
abgesehen davon, daß nach mittelalterlichen Zunftgewohnheiten ein der-
artiges Ineinanderaufgehen zweier selbständiger, gereifter und in sich
gefestigter Meister kaum anzunehmen ist, müßte es doch auffallen, daß eine
derartige Amalgamierung nur in diesem einzigen Fall sich vollzogen haben
sollte, noch dazu bei einem so weit von dem I-Iauptwirken der beiden frän-
kischen Meister abgelegenen Werk. Übrigens ist gerade für die von Ubell
angenommene Entstehungszeit des Altars - 1505 bis 1510 - Veit Stoß, als
' Kunst und Kunsthandwerk XVI (1913), S. r. Vergleiche hierzu meine Ablehnung Tilmann Riemen-
schneiders als Meister des Altars in „Kunst und Kunsthandwerk", XVI (1913), S. 376, und Ubells Erwiderung
ebenda S. 394. Ferner Friedrich Lübhecke, Ein Meisterwerk deutscher Holzakulptur in der „Frankfurter Zeitung",
Nr. 77, vom 18. März 1913, und Franz Heege, Wer ist der Meister des Kefermnrltter Altars? in der Zeitschrift
„Christliche Kunstbliitter", Organ des Linzer Diözesan-Kunstvereines LIV (1913), S. 61. - Liibbecke undHeege
lehnen die Urheberschaft Riemenschneiders am Kefennarkter Altar ab und wollen statt dessen Veit Stoß an
seine Stelle setzen. Auch diesen beiden Autoren kann ähnlich wie Ubell nicht der Vorwurf erspart bleiben, daß
sie dem örtlich und zeitlich nächstliegendenVergleichsmaterial aus dem Wege gehen und nur auf unstichhaltige,
in der gleichen Zeit beruhende allgemein vorkommende Einzelheiten ihre Behauptungen aufbauen.