Dann trifFt man aber auch größer und höher langende Gebärden voll Sehnsucht
nach Rubensscher oder Michelangelesker Fülle. Im epigonisch-korinthischen Maßstab,
immerhin aber angepackt, begegnet das in Kleinschmidts Simson voll Gliederknäuel,
brutalen Fäusten, Gurgelgriff und wüster Nacktheit.
Jaeckels Trias von Mann, Frau und Kind in tropischer Urwaldlandschaft, umwallt
von farbigen Strömen, will kosmischen Weltenmorgen ahnen lassen. Das Bild berührt wie
eine Genesisphantasie, frei vom Buchstaben.
Ernst Altmanns, des Gefallenen, Blätter voll mythologisch-heroischen Anklangs ver-
künden, an die Stilart alter Meister gemahnend, hohe Bogenspannung.
Und das große Verklärungsgemälde Schockens mit den wallenden Zügen der
Seligen über Wolkenbahnen dünkt wie eine malerische Paraphrase zu den faustischen
Szenen in Himmelshöhen; man möchte dem Künstler von so stolzer Selbstforderung
wünschen, daß an ihm das Wort aus jenem Reich sich vollende:
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen.
GROSSE KUNSTAUSSTELLUNG 1915. Die diesjährige „Große" findet
in Fortsetzungen statt. Der erste Teil ward jetzt in der Akademie am Pariser-platz
eröffnet, der zweite folgt im August.
Die Massenüitterung ward durch die Gliederung angenehm vermieden, und milde
gestimmt wandert man durch die Räume. Erregendes bieten sie freilich weder im Guten
noch im Bösen. Es breitet sich die gewohnte gemäßigte Zone, in der man sich aus den
Mäßigkeiten die Lichtblicke heraussucht.
Wie stellt sich in diesem Bereich der Krieg dar: illustrativ (Max Rabes Kirche
in Lyck); fatal auf Rührungseffekt, wenn der alte Vater vor Helm und eisernem
Kreuz des„ Einzigen" sitzt (Paul Barthel); billig dekorativ, wenn Martin Brandenburg
die Furien mit bengalischen Flammenschleppen und Serpentingeschiller mobil macht;
sinnbildhaft, wenn Fritz Burger einen Knaben als „Deutsche Hoffnung" auf einen Fels
setzt. Das Bild in körnigen Temperafarben blau und grün verrät Rodler-Manier; es ist
nach seiner Raumphantasie sozusagen am Horizont des Weltalls angesiedelt; der Fels-
block wirkt als ein kosmisches Versatzstück; der junge aber hat ein Bonbongesicht.
Weniger anspruchsvoll erscheint die Stimmung voll Ausblick und Weihe von dem
Stuttgarter Christian Speyer: der Ulan mit dem Schimmel und dem Braunen an der Meeres-
küste. Und liebenswürdig, wenn auch etwas familienblättlich, die Kohlezeichnung „Kriegs-
sacken" von Rheder.
Bei dieser Gruppe von Mutter und Töchtern, vor allem dem Zopfköpfchen am abend-
lichen Tisch, im Schein der grünen Lampenglocke haben wohl die Menzelschen Blätter
der Jauerschen Hausbehaglichkeiten als Muster vorgeschwebt.
Das Beste des kriegerischen Malschauplatzes geben die Bildnisse: die jungen
Menschen in Feldgrau, Fischer-Cörlins „Sohn Erwin", offen entschlossen, so kindhaü und
reif zugleich. Hammachers Leutnant von der Linde mit dem zierlichen Knabenkopf über
dem Pour le merite und dann die strotzende Charakteristik des Majors von Donath von
Ernst Pickard mit dem kurzstoppeligeu graukrisseligen Kriegsbart im hitzigen Gesicht und
dem Monokel vor dem pfiffig gekniffenen Auge.
Auch sonst findet sich gerade in der Galerie der Bildnisse manch gute Leistung.
Besonders die Damenporträte fesseln. Paul Plontke liefert mit dem seinen eine Variation in
Blau und Weiß mit Streifentönung, und das Rippenwerk des Chippendale-Stuhles umgrenzt
ornamental die Farbenspiele; I-lela Peters läßt ihre Dame in Rot freudig auf einer groß-
blumigen Decke erblühn; voll zarttraurig-kranker Anmut berührt Schuster-Woldaus blaue
Dame mit hauchigem Spitzentuch und dem scheuen Flackerzug - ist es Lächeln, ist
es Weinen - um die Lippen. Die bange Luft Kayserlinckscher Novellen strömt aus
diesem Rahmen. Geschmackvolle Stilleben erfreuen: die Porzellane der Zschille von