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raten und daher eine Fundgrube für moderne Ornamentzeichner geworden
sind. Trotzdem machen diese Krieger in ihrer „GeschraubtheiW (Lübke)
mit ihren martialischen Bärten einen durchaus nordischen Eindruck. Dies
Individuelle ihrer Erscheinung unterscheidet sie vorteilhaft von ähnlichen
Grabwächtern der Zeit, wie etwa den Trabanten des Cornelis Floris am
Grabmal Christians III. in Roeskilde. Wahre Prachtstücke der ornamentalen
Zierkunst sind auch die mit einem sinnbildlichen Relief geschmückten Schilde
der Löwen (Abb. m). Hier tritt ausnahmsweise bei Gerhard das Rollwerk
auf, in dessen Verwendung sich seine engeren Landsleute gerade in dieser
Zeit nicht genugtun können. Dies Kartuschenrollwerk ist jedoch derart
organisch empfunden, daß man eher an italienische Anregungen als an
nordische Vorlagen, wie die des
Vredeman de Vries, denken möchte;
auch die Fratzenbildungen, in die das
Rahmenwerk oben und unten aus-
läuft, erinnern an beliebte Motive der
Bolognaschule.
In der Michaelskirche hängen
vier Bronzereliefs mit Darstellungen
von Auferstehungen undAuferweckun-
gen (Abb. n bis 14), deren einstrnalige
Bestimmung für das Wilhelmsgrab
nicht zweifelhaft sein kann." Die
Wahrscheinlichkeit spricht daher
schon für die Autorschaft Gerhards.
Die vielfigurigen, wie Gemälde kom-
ponierten Reliefs" sind in dem kühlen,
fast klassizistischen Geschmack ge-
halten, der auch den Arbeiten der
Bolognaschule eigen ist. Von diesen
trennt sie aber der Verzicht auf eigent-
liche Tiefenwirkung. Diagonallinien,
Überschneidungen,Verkürzungenund
sonstige perspektivische Hilfsmittel
f Vgl. die Erörterung des Wilhelmsgrah-Pro-
jektes von Trautmann in Kronseders „Lesebuch zur Ge-
schichte Bayems", 1906, Seite rBg. - Die Maße bewegen
sich nach eigener Messung zwischen 10g und x27 Zenti-
meter für die Breite und 76 bis 82 Zentimeter für die
Höhe. Die schweren Umrahmungen sind aus dem
gleichen schwarzen Marmor, aus dem auch andere Teile
des Wilhelmsgrahes bestehen.
"i" Direkte Vorbilder lassen sich nicht nach-
weisen, sind auch kaum anzunehmen. An Candid
oder Sustris ist nicht zu denken! Christi Auferstehung
hat entfernte Berührungspunkte mit Sansovinos Relief Abb. xg. Hubert Gerhard, Engel in der Michaelskirche
an der Tür von San Marco. zu München
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