Wiedergabe der Naturwirklichkeit eingesetzt. Zu
beiden Bildern (Nürnberg, Germanisches National-
museum, 1774 bzw. 1776 datiert), die wahrscheinlich
natürliche und künstliche Klüftungen vom Steilabfall
des Thebener Kogels gegen die March hin zeigen, gibt
es Vorzeichnungen, die als Naturstudien gelten ß. Das
spätere, kleinere Bild mit dem beleuchteten Hohlweg
scheint im Vorwurf der wenig gegliederten Masse eines
beleuchteten, fast vegetationslosen Hügels vor einer
Wand aufsteigender Wolken und auch im Effekt der
tatsächlich und gedanklich kleinen Menschen am höch-
sten Punkt des Steilrandcs weniger konventionell als das
andere. In der künstlerischen Bewältigung jedoch ist es
durch ein einfaches System rahmender dunkler Hügel-
kulissen und durch die Masscn- und Lichtponderation
(dunkle Wolken- bzw. Hügelwand rechts und links vom
leuchtenden Hang) auf eine traditionelle Bildform ähn-
lich jener der zuvor genannten Landschaften orientiert.
Die erstrebte Bildform scheint die Naturbeobachtung und
auch das Naturerlebnis in die Bahnen eines Romantizis-
mus in der Art Salvator Rosas zu lenken. - In der
„großer? Sandgrubenlandschaft mit dem Blick auf
Schloßhof (Abb. 3) ist hingegen eine selten glückliche
Ausgewogenheit zwischen Naturwiedergabe und Bild-
form erreicht. Das Mittel dazu ist vorerst das Spiel mit
inhaltlichen Gegensätzen und ihre adäquate künstleri-
sche, vor allem malerische Ausformung. Die Idylle der
Staffage im Vordergrund unterstreicht die Größe des
geologisch erstaunlich richtig wiedergegebenen alten
Steilufcrs mit herausgewitterten Kalkbänken. Hier wie-
der wird das tektonisch Tragcnde und Lastende dem
Amorphen des Sandes und der Vegetationskruste gegen-
übergestellt, das Schattig-Dunkle den hell beleuchteten
Blöcken im Vordergrund. Das Ganze aber ist, durch eine
dunkle Silhouette von der hellen Flußniederung getrennt,
wuchtig geklüfteter Vordergrund zu dem - aus der Bild-
mitte versetzt - hell in der verdämmernden Ebene hin-
gelagerten Schloß. Die ungewöhnlich direkte Wiedergabe
der steilen Wand, die das linke Bilddrittel erfüllt und in
ihrem Auslaufen nach rechts die Vielfalt der Bewegungs-
richtungen von Berg, Flußniederungen und sanft stei-
gendem jenseitigen Ufer ahnen läßt, hat im lichten Kom-
plex des Schlosses den ruhend-beruhigenden Widerpart
gefunden. Diese der Natur entsprechende Verknüpfung
der beiden Gründe (bei „fehlcndem" Mittelgrund), ein
scheinbar unkompliziertes Einfließen der Natur- in die
Kunstform, wird durch die sichere Handhabung der ma-
lerischen Mittel erreicht, die hier im Dienst der Natur-
wiedergabe die prä-imprcssionistisehen Elemente der
Malerei des Hintergrundcs zu den nuancenreichen pasto-
sen des Vordergrundes in Beziehung setzt. Im Verein
mit dem ruhigen Himmel vermittelt diese Farbigkeit
jenen Ausdruck heiterer Monumentalität, wie sie nur
klassische Lösungen zeigen.
Es ist der geglückte Versuch, erfaßte Naturwirklichkeit
in der Tradition holländischer Landschaftsschilderung
mit der Kenntnis moderner Farbigkeit nicht bloß zur
Vedute, sondern zu einem barocken Bild zu machen. Die
Akademie jedoch erachtete die künstlerisch interpre-
tierte Topographie für wichtiger als den Mut zur Natur-
wirklichkeit, den Brand in den Sandgrubenlandschaften
bewies. Sie forderte, „daß ein reizender und für jeder-
mann interessanter Gegenstand gewehlet werde, den nicht
sowohl öde unbedeutende Auen, und walddichte Gründe
in einer gar zu genauen, und folglich mehrernteils
einförmigen Vorstellung abgeben, als vielmehr die Pro-
spekte bekannter Gebäude und des umliegenden Landes
mit der Aussicht in die Ferne darbieten; wozu die ver-
mischten Gegenden um Wien und seine Vorstädte genüg-
lich Gelegenheit geben. . ."9. Auch Brand widmete sich
in den folgenden jahren, einer Zeitmode folgend, liebens-
werter Erfassung der Topographie und des Volkslebens
Wiens und der Wiener Umgebung. 1780 suchte er um ein
Privilegium zur Herausgabe des „Kaufrufs" und der „Ge-
genden bey Klosterneuburg" an. Daneben entstanden
Deckfarben- und Aquarellblätter mit Naturstudien aus
dem Prater und den Gegenden um Wien, die farbig mehr
denn je im Gefolge Weirotters und Pillements stehen,
doch voll deskriptivcr Klcinteiligkeit sind, wie sie dann
Erbteil einer Anzahl seiner Schüler, besonders Heideloffs
und Molitors und der Wiener Vedutenstecher wurden.
In den gemalten Veduten dieser Zeit hält Brand stärker
als im graphischen Oeuvre an der barocken Bildform fest,
so etwa besonders augenscheinlich und reizvoll im „Blick
auf St. Martin in Klosterneuburg und den Bisamberg"
(Wien, Österreichische Galerie)". Dieses kleine, fast qua-
dratische Bild ist aber - abgesehen von Vordergrundku-
lisse und raumschaffenden Solitärbäumen - ein zauber-
haftes Beispiel einer Naturwiedergabe, für die die Erin-
nerungen an die blau-grünen Mittelgründe der Nieder-
länder und an das dekorative, pastellartige Kolorit der
Franzosen nur Mittel sind zur Erfassung der duftigcn
Atmosphäre über den Donauauen in fast frühimpres-
sionistisehem Maß.
Daneben aber unternahm Brand - immer in der Tra-
dition der Niederländer des 17. jahrhunderts - Ver-
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