MAK

Volltext: Monatszeitschrift XXIII (1920 / 1, 2 und 3)

in der der weiteste Osten (Japan) mit 
dem europäischen Westen (Rokoko) 
in regsten gegenseitigen Austausch 
getreten ist, der hier in Konstan- 
tinopel, als einem gegenüber beiden 
Kulturwelten indifferenten Boden, zu 
dieser eigentümlichsten Blüte führte. 
So erfüllt sich hier die Aufgabe 
der Türken in einem nationalen Inter- 
nationalismus, der ihnen schon in die 
Wiege mitgegeben war. Wenn man 
sich vor Augen hält, daß die letzte 
Kraftentfaltung türkischerKultur unter 
den Osmanen gerade in eine Zeit- 
spanne fällt, in der das Abendland 
seine größten Schöpfungen, die go- 
tischen Dome des Nordens, vollendete 
und die Werke der Renaissance auf- 
zuweisen hat, und bedenkt, daß die 
türkischen Schöpfungen dieser Zeit 
_ sich jenen an künstlerischer Größe 
Abb. 59. Detail vom Brunnen Achmeds 111. _ _ , 
(KonsmünopeH-„p Hang) ohneweiters anreihen lassen, ja daß 
die Großen und Größten des Abend- 
landes, wie Bellini, Rembrandt und Goethe von dieser Kunst die wertvollsten 
Anregungen erhielten, so wird man diesem Volke die Anerkennung auf 
künstlerischem Gebiete nicht versagen dürfen. Freilich dürfen wir bei der 
Beurteilung des Fremden nicht die uns geläufigen Maßstäbe des Eigenen 
anlegen, sondern es aus seinen eigenen Schöpfungen heraus zu verstehen 
suchen. Wenn uns hier eine Kunst entgegentrat, der der Sinn für den 
organischen Zusammenhang der Naturgestalt fremd ist, so ist dies, wenn 
man nicht subjektiv von dem uns Geläufigen aus urteilt, kein Mangel, 
sondern eben der Ausdruck einer anderen Geistigkeit, die der Umwelt 
anders wertend gegenübersteht als wir. Denn wie uns der Sinn für das 
Organische seit alters im Blute lag und unser Denken als ein rückschauend 
verbindendes (historisches) und aus dem Gegenwärtigen in die Zukunft vor- 
schauendes und vorsorgendes bestimmte, so erscheint das Denken, wie es 
uns bei den Türken entgegentritt, als ein an die Gegenwart geheftetes. Das 
Einzelding und so auch das eigene Leben erscheint ihm als ein Teil für sich, 
der losgelöst von einer kausalen Verkettung in bezug auf Zeit oder Umwelt 
unter einer abstrakten Gesetzmäßigkeit steht. Nicht der Kosmos ist das 
Bestimmende, sondern das Fatum. 

	        
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