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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 188)

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lllo historische Bedeutung des Zunftwasons. 
(Schluss) 
Der Lehrling (oder das Lehrmädchen) blieb zwei bis vier Jahre 
bei einem Meister in der Lehre. Er hatte bei seinem Eintritte dem 
Zunftmeister in die Hand zu schwören, vtreu und über alle Handwerk- 
sachcn verschwiegen zu seinu. Nach der Lehrzeit wurde er losgesprochen 
und unter die Gesellen aufgenommen. Der Geselle wohnte beim Meister 
und durfte nicht heirathen. Der Wanderzwang, welcher bei den spä- 
teren Zünften in's Maßlose getrieben wurde, ist vor dem 15. Jahrhundert 
nicht zu finden. Auch das Meisterstück war nicht von jener ausgesuchten 
Schwierigkeit, mit welcher sich die zünftigen Meister des 18. und ig. Jahr- 
hunderts den Nachwuchs vom Halse zu halten suchten; im 14. Jahrhundert 
findet es sich nur vereinzelt, auch im darauf folgenden noch nicht bei 
allen' Zünften. Beim Eintritte des neuen Meisters in die Zunft muss der- 
selbe ein gewisses Vermögen nachweisen, mit welchem er das Handwerk 
betreiben will; in manchen Züuften wird die Ehelichung gefordert. Die 
Meister wählen den Zunftmeister aus ihrer Mitte und folgen ihm, wenn 
er sie zur Berathung, zur wMorgensprucheu ruft; den Majoritätsbeschlüssen 
der Versammlung leisten sie Gehorsam. Ebenso pflichtmäßig erscheinen 
sie bei Hochzeiten, Kindstaufen und Begräbnissen der Handwerksgenossen; 
denn jedes wichtige Ereignis: im Hause eines Mitgliedes betrifft die ganze 
Zunft mit, die wie eine Familie im weiteren Sinne zusammensteht. Dass 
die Zunftmitglieder auch zu religiösen Handlungen verbunden waren, wird 
Niemanden wundern,.der sich die Bedeutung gegenwärtig hält, welche die 
Kirche für das gesammte mittelalterliche Leben hatte. So wenig ein Doctor 
an der Universität promovirt wurde, ohne dass die Kirche ihren Segen 
dazu sprach, ebensowenig verließ ein Stiefel die Werkstatt, ohne dass der 
heilige Crispin sein größeres oder geringeres Wohlgefallen daran hatte. 
Jede Zunft überantwortete die Fürbitte beim lieben Gott einem Heiligen, 
dem man in bestimmten Kirchen Altäre, Messen und Kerzen weihte. Bei 
der Frohnleichnamsprocession fehlte keiner von den Zünftlern. 
Alle diese Bestimmungen und Satzungen hatten vorzugsweise den 
Zweck, die Angehörigen desselben Handwerkes fester an einander zu 
binden. Die große historische Bedeutung der Zünfte lag aber in ganz 
andern Dingen} sie lag hauptsächlich darin, dass sie nicht bloß Genos- 
senschaften zur Pflege ihrer eigenen Interessen, zur Hebung und Förde- 
rung des betreEenden Gewerbes, sondern auch zugleich Glieder der öffent- 
lichen Verfassung, Organe der öffentlichen Verwaltung waren und damit 
die Pflicht hatten, mit ihrem eigenen Vortheil zugleich auch den allge- 
meinen, den des Publicums zu wahren -- das war ein Amt, welches ihnen 
die Stadt anvertraut hatte, und "Amts und vZunftu waren damals gleich- 
werthige Bezeichnungen. Diese beiden Verpflichtungen, gegen sich selbst 
als Producenten und gegen die Consumenten, miteinander zu verbinden, 
ist den Ziinften in den Jahrhunderten ihrer Blüthe in Deutschland wirk-
	        
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