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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 194)

diese Verzierung heimisch, neben den Werkstätten der Metallarbeiter in 
jenen der Buchbinder, der Marmorarbeiter, der Formschneider und in 
vielen Anderen. Sehr bald begritT man auch, welch" reizvolle Wirkung 
diese Flacharabeske in Verbindung mit anderen Ornamenten plastischer 
Art hervor-zubringen im Stande sei. Es entstanden jene Prachtgefäße, jene 
Meisterwerke der Goldschmiedekunst, die an sich ein vollständiges Poly- 
technikon der damals in Uebung gewesenen Behandlungsarten der Metalle 
darstellten. Mit der Treib- und Ciselirkunst, mit der Form- und Gieß- 
kunst, mit den Juwelierarbeiten und Emaillirungen verband sich die luftige 
Arabeske des Orients in feinem Gravir-, Aetz- oder Niellowerk und half 
so wesentlich mit, den gelungenen künstlerischen Eindruck des Ganzen 
zu vervollständigen und zu erhöhen 
Und gerade jene Meister, die die neue Kunstrichtung der Renaissance 
am meisten und umfassendsten cultivirten, mit Holbein an der Spitze, be- 
günstigten auch in besonderem Grade diesevLineararabeske und gewannen 
dem an sich so einfachen Linienzug immer neue Gestaltungen, neue Schön- 
heiten ab. Wie herrlich ist beispielsweise der berühmte Jamnitzefsche 
Tafelaufsatz mit diesen Arabesken verziert, andere Beispiele dieser Art 
von diesem Meister hat uns Virgil Solis erhalten. 
Neben der Lineararabeske tritt in Deutschland noch eine andere Form 
der Arabeskenverzierung auf, die einzig in ihrer Art dasteht und "die 
ihre Motive aus der glänzend betriebenen Schl0sser- und Schmiedekunst 
herleitet und auf's Genaueste den Stil von Metallbeschlägen nachahmtnt 
Die Schilderung dieser Arabeske und ihre Würdigung ist in Lübke's Ge- 
schichte der deutschen Renaissance so trefflich gegeben, dass ich dieselbe 
nur wiederholen kann. "Sogar die Nieten und Nägel mit ihren facettirten 
Köpfen, welche bei Metallbeschlägen die einzelnen Theile verbinden, 
werden mit ängstlicher Treue in Stein oder Holz wiedergegeben. Diese 
Ornamentik ist die Stärke und die Schwäche der deutschen Renaissance. 
Es spricht sich einerseits in ihr eine Fülle von Phantasie, Originalität, 
eine gewisse Kraft und kecke Derbheit aus. Aber sie zeigt auch, wie tief 
der Hang zu geometrischen Formspielen und Künsteleien im deutschen 
Geiste steckt, und wie dieser Trieb im Laufe der geschichtlichen Ent- 
wickelung immer von Neuem durchdringt. Derselbe Zug hatte in der 
gotbischen Zeit zuletzt Alles in Maßwerkspiele aufgelöst; derselbe Sinn 
bringt jetzt in der Renaissance unter veränderten Formen und Verhält- 
nissen Analoges hervor. Damals war es die Tyrannei des Steinrnetzen, der 
sich Alles unterwarf; jetzt ist es die Herrschaft des Metallstiles, speciell 
der Schmiede- und Schlosserarbeit, die in den Steinstil hinüber wirkt. 
Stets aber bleibt es ein mehr handwerkliches als künstlerisches Princip, 
das darin zur Erscheinung kommt, ein Beweis, dass der höchste künst- 
lerische Adel bei uns durch eine gewisse Derbheit des Sinnes oder sagen 
wir lieber durch spießbürgerliche Pedanterie verkümmert wird. Dies ein- 
mal zugegeben - und man darf sich dergleichen nicht verhehlen - wird 
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