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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 172)

ganze, farbiger Wirkung abholde Richtung der Zeit standen den Gegnern zur 
Seite. Aber Semper war gewappnet und liess sich nicht einschüchtern. Er 
stellte seinen Mann als Archäolog, und hielt den ästhetischen Einwendungen 
die nicht hinwegzuleugnenden Farbenreste entgegen. Der Streit hat sich 
durch Jahrzehnte hingezogen, und wie man auch über die Frage denken 
möge, ist doch das eine sicher, dass seit Sempers Auftreten und durch 
dasselbe die Anschauungen über die Verwendung der Farbe in der Archi' 
tektur einen völligen Umschwung erfahren haben. 
Was er sonst auf seinen Reisen gelernt hatte, sollte sich bald zeigen, 
als er (in demselben Jahre) zum Director der Dresdener Bauakademie 
ernannt worden war. Bis dahin hatte sich seine praktische Bauthätigkeit 
auf seine Beschäftigung am Bremer Hafen und einen kleinen Bau in Ham- 
burg beschränkt. Um so mannigfaltigere Proben sollte] er nun ablegen, 
und wenn er sie alle glänzend bestand, so bleibt doch sein Theaterbau 
die bedeutungsvollste Leistung" dieser Periode. 
Aus seiner Puhlication über das Dresdener Theater ist bekannt, dass 
dasselbe nur ein Glied einer grossartigen Gesammtanlage sein sollte. 
Damals wie später fasste er nicht das einzelne Gebäude ins Auge, sondern 
dachte es sich als Theil eines grösseren Architekturbildes. Darin, dass er 
sich niemals an das Einzelne verlor, stets mit weitem Blicke ein jedes 
Ding in seinen mannigfaltigen Beziehungen und Berührungen übersah. 
haben wir überhaupt einen Zug seines Wesens zu erkennen und wir 
werden daran bei unserem eigentlichen Thema erinnert werden; als aus- 
übender Künstler verwerthete er in dieser Richtung seine Studien an den 
architektonischen Compositionen der Römer und der grossen Renaissance- 
künstler. Allein damals wie nachher noch öfter, blieb es ihm versagt, 
seine künstlerischen Gedanken in der Totalität zu verkörpern, - ein 
Geschick, welches an Michel Angelo erinnert. Haben wir es zu beklagen, 
dass sein genialer Plan mit Einbeziehung des Zwingers und der katholischen 
Kirche nicht zur Ausführung gekommen ist, so wurde doch schon jenes 
eine Gebäude, das Theater, zu einem künstlerischen Ereigniss ersten 
Ranges für die damalige Zeit, und nicht blos für Dresden, wo die Archi- 
tektur ein Jahrhundert lang geschlumrnert hatte. Wie mit seiner Schrift 
über die Polychrornie brachte sich Semper auch mit diesem Bauwerke in 
entschiedenen Gegensatz gegen die herrschende Richtung, welche officiell 
nur die Antike und für den Kirchenbau die mittelalterlichen Stile an- 
erkannte. Er wagte es, die reine, volle Sprache der Renaissance zu reden, 
welcher man in München nur einzelne Wendungen entlehnt hatte, und 
er that es so imponirend, dass die Gegner verblüfft wurden, und man im 
grossen Publicum anfing zu erörtern, ob denn Renaissance und Roccoco 
und Zopf nicht wie man sich gewöhnt hatte anzunehmen, gleichbedeutend 
seien und ohne Unterschied der Verdammniss zu überantworten. Und 
nicht allein die Harmonie in der ganzen Erscheinung ,und die Schönheit 
aller einzelnen Theile waren es, was allgemein zur Bewunderung hinriss. 
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