Bei dieser Sachlage würde das Oesterr. Museum seine Stellung verkennen,
wenn es die Hände in den Schoss legen würde, und wenn es sich be-
ruhigen möchte mit den Erfolgen, die'es bereits erzielt hat. Darum heisst
es bei uns in Oesterreich nicht auf dem gegenwärtigen Standpunkt stehen
bleiben, sondern auf der gegebenen Basis rüstig vorwärts schreiten und
auf Grundlage der gemachten Erfahrungen. Die Bewegung auf kunst-
gewerblichem Gebiete in Oesterreich, die mit der Gründung des Oesterr.
Museums im Jahre 1864. ihren Anfang genommen hat, beginnt gegen-
wärtig sich in den Kronländern zu verbreiten und gewinnt von Jahr zu
Jahr an Bedeutung und Ausdehnung. Beide betheiligten Ministerien, das
Unterrichts- und das Handelsministerium, sind gleich bereit, diese Bewe-
gung nach Kräften zu fördern, denn beide sind sich bewusst, dass es sich
hier nicht um kleinliche Interessen handelt.
Wir haben in jüngster Zeit einige erfreuliche Resultate zu verzeichnen.
In Galizien hat die vor wenigen Tagen in Lemberg geschlossene Aus-
stellung gezeigt, dass das gewerbliche Leben sich auch in diesem Kron-
land zu regen beginnt. In Innsbruck ist eine allgemeine gewerbliche Zeichen-
und Modellirschule gegründet und reich mit Lehrmitteln ausgestattet
worden. Dieselbe wird von dem Architekten Deininger geleitet und
es wirken an derselben ausser diesem Künstler noch der Maler Roux
und der Bildhauer Fuss; Kräfte, die alle an der Wiener Schule gebildet
wurden und welche die bei uns fest gewurzelten Anschauungen nach
Tirol übertragen werden, also nach einem Kronlande, welches mehr wie
jedes andere dazu berufen ist, auf dem Gebiete der Kunstgewerbe eine
hervorragende Rolle zu spielen. Die Staatsgewerbeschule in Salzburg nimmt
unter der Leitung des Architekten Herrn C. Sitte einen ungemeinen Auf-
schwung", jene in Brünn und Reichenberg haben eine gesicherte Zukunft.
in Graz wird zur Feier der dortigen Gewerbeschule in deri nächsten Tagen
eine Ausstellung erölfnet werden. In Leitmeritz ist ein Museum gegründet
worden, ein Versuch ähnlicher Art ist in Eger gemacht worden, leider
ohne sich darüber klar zu sein, auf welche Weise die gewerbliche Fort-
bildung der dortigen Bevölkerung mit Rücksicht auf die Nähe der grossen
böhmischen Curplätze bewerkstelligt werden soll.
Viele Fachschulen des I-Iandelsministeriums, wie die Schulen in
Grulich, Mondsee, Hallstadt, Wallachisch-Meseritsch, Znaim, die Spitzen-
klöppeleischulen zu Idria, Proveis u. a. m. haben bereits feste Wurzeln
gefasst und wo wir sonst hinsehen, bemerken wir, dass die kunstgewerb-
liche Bewegung auch in den österreichischen Kronländern in Fluss ge-
rathen ist. Wiener Verleger, die Herren Rud. v. Waldheim, I-Iölder,
Lehmann 8lWentzel, Braumüller, Geroldt") u.A. fördern diese Strö-
') Im Verlage der genunmen Firmen erschienen beispielsweise: Teirich, Blätter
für Kunstgewerbe; von demselben, Cabine! (Kunstschrank) und Bronzen der italienischen
Renaissance; Storck. Kunstgewerbliche Vorlageblätter; Helbi ng, Spitzerxktllbuny u. n.