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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1869 / 43)

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leider das Loos der Mehrzahl, lässt leider nur zu oft den Geist verkümmern 
und das Herz versauern. Es ist bekannt, dass unser karger Boden bei 
Weitem nicht im Stande ist, die Inwohner zu ernähren; in der Fremde 
müssen unzählige Bursche und Männer Brod und Erwerb suchen. Die 
meisten wandern als Maurer in die Ferne, wenn „der holde Lenz er- 
scheint", und im Spätherbste kehren sie mit ihrem sauer verdienten 
Lohne zurück. Allein der Winter bietet ihnen meist keine Arbeit, keinen 
Verdienst. Wäre es nicht eine schöne Aufgabe, dafür zu sorgen, dass 
diese armen Leute auch im Winter Beschäftigung und Erwerb Fanden? 
Eine Gelegenheit dazu liesse sich unschwer entdecken. Der Oberinn- 
thaler zeigte stets entschiedenes Talent für Plastik. Bedeutende Bildhauer 
sind aus diesem armen Thale hervorgegangen, wie z. B. Jacob Auer, 
Ingenieur Lechleitner, Stephan Föger, Josef Anton Renn, Gottlieb 
Klotz und in neuester Zeit rechnet Oberinnthal mit gerechtem Stolze 
zu seinen Söhnen die Plastiker: J. Knabl, Grissemann, Jos. Müller, 
J. Trenkwald er, Pair und Petz in München, Renn in Speier und 
Renn in München. Eine ausgeprägte Anlage zum Schnitzen zeigt der 
Oberinnthaler Knabe, und die selbstgefertigten Krippen zeigen dies Talent 
oft in überraschender Weise. Sollteman dies Capital nicht verwerthen können? 
Wir lasen, dass eine hohe Regierung die Grödner mit einer Zeichnen- 
und Schnitzsehnle gnädig bedacht habe. Wir freuten uns neidlos über 
diese Nachricht, wünschten aber von Herzen, dass uns ein ähnliches Ge- 
schenk gespendet wiirde. Man errichte hier eine Winterabendschule, 
in welcher ein praktischer Unterricht im Zeichnen und Schnitzen gegeben 
werde, und die bescheidenen Auslagen dafür werden hunderttlaltige Früchte 
bringen. Nicht nur wird der junge Maurer bei einigem Zeiehnenunten" 
richte es dahin bringen, dass er im Reiche draussen als Pallier viel mehr 
verdienen kann, sondern es wird dadurch den Leuten Gelegenheit ge- 
boten werden, auch im Winter sich zu beschäftigen und zu verdienen. 
Wir sind überzeugt. dass bei der Anlage des Oberinnthalers zur Plastik 
sich bald ein neuer vielversprechender Industriezweig bilden würde, wenn 
ihm auch nur eine bescheidene Gelegenheit geboten würde, sein Talent 
etwas auszubilden. Wie an plastischen Talenten, haben wir auch an Zirbel- 
kiefern bedeutenden Vorrath, so dass wir geeignetes Material zu Schnitz- 
Werken hinlänglich besitzen. So gut wie Gröden könnte sich das arme 
Thal auf diese Weise ein hübsches Nebeneinkommen VGFSClIHGGII, und wie 
Manchen: wäre geholfen, wenn er im Jahre etliche Gulden bares Geld 
nebenbei verdienen könnte, um die Steuern u. dgl. damit zu bezahlen, 
und nicht genöthigt zu sein, um sich bares Geld zu verschaffen, ein Stück 
Vieh aus seinem Stalle zu geben. Möchte eine hohe Regierung unseren 
Wunsch, der nur ihrer Tendenz, Volk und Volkswirthscbaft zu heben, 
Entspricht, beherzigen, und man wird sehen, dass das dafür ausgelegte 
Capital Wucherzinsen tragen wird." 
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