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wIm ersten Anfang war der Lehrplan des Gewerbe-Instituts der
einer kleinen Gewerbeschule. Allmälig aber hat er sich erweitert, um
heute an Reichthum mit in der ersten Reihe der polytechnischen Unter-
richtsplärie zu stehen. ln den letzteu zehn Jahren namentlich ist der Lehr- i
stoif auf mehr als das Doppelte gestiegen. Zum Theil ist dies dem Ein-
gehen auf besondere und neue Disciplinen, zum anderen Theile aber der
Einführung allgemein bildender, also nicht technischer Lehrstolfe zuzu-
schreiben. Das hier zur Anwendung gelangte Princip, zu welchem sich
auch die meisten Schwesteranstalten bekennen, beruht auf einer Auffassung,
welche vielleicht der Erläuterung bedarf.
wGrosse schöpferische Männer aller Zeiten zeigen eine universelle
Bildung. An Michel Angelo, Leonardo, Descartes, Leibnitz,
Watt, Schinkel, Beuth bewundert man die Vielseitigkeit des Wissens
und Könnens; man staunt darüber, dass sie so begabt waren, neben einem
Hauptfache noch viele andere gründlich zu kennen und theilweise zu be-
meistern. Richtiger ist es aber wohl, den Satz umzukehren: weil sie
die anderen Fächer bemeisterten, leisteten sie Grosses in einem oder meh-
reren. Die Reflexe des einen Stoffes auf den andern ermöglichen allein
das Entdecken neuer Wahrheiten; sie gestatten das Zusammenfassen der
Erscheinungen, die Auffindung des allgemeinen Gesetzes, die Erklimmung
der höheren Stufe. Darum ist die Erziehung, welche das Höchste leisten
soll, nicht zu denken ohne die Ermöglichung universeller Bildung. Darum
ist es verkehrt, das Höchste von der einseitigen, auch noch so scharf-
sinnigen Specialbildung zu erwarten. Die speciellen Richtungen im Schul-
wesen bedeuten nicht, wie die Menge leicht glaubt, eine Bereicherung der
Bildung; sie drohen eher das gerade Gegentheil. Eine Zeitlang zwar lebt
sich leicht mit der Specialisirung; allrnälig aber tritt ihre den Geist
austrocknende Wirkung unfehlbar ein. Frankreichs bittere Erfahrungen
auf dem Gebiete der technischen Ausbildung sind uns allen noch lebendig;
wie schneidend aber war die Verurtheilung seiner so hoch entwickelten
Specialschulen ausgesprochen, als der Dictator in Tours Geographie und
Geschichte in den Lehrplan der polytechnischen Schule einzuführen be-
fahl. Dem gegenüber zeigt uns England, welches bis jetzt technische
Schulen kaum besitzt, vielmehr überall in der Richtung der Universal-
bildung seine Schulen leitete, dass mit dieser Bedeutendes auch für den
Techniker geleistet werden kann. Abgeschlossen ist dies Rechenexernpel
noch nicht; aber gerade in diesen Jahren ist es, wo das Uebergewicht der
deutschen Techniker über die englischen sich bemerkbar zu machen be-
ginnt, und wo England, die Gefahr erkennend, laut nach der Einrichtung
technischer Hochschulen, und zwar nach deutschem Muster, ruft. lch bin
ausser Zweifel, dass die universellere Richtung, weche Deutschland der
Ausbildung seiner Techniker gegeben hat, als der Schlüssel zu dem Ge-
heirnniss ihrer wachsenden Thätigkeit anzusehen ist.
vEs wird Sie interessiren, wie Beuth in diesem Punkte dachte. Aus