Grunde formal eine Entwicklungsgeschichte der Raumclarstellung ist. Entscheidend ist
nur, daß diese als Gleichnis oder Verheißung räumlicher Entdeckung in Erscheinung tritt,
als logische koherente Darstellung der Beziehung der Formen im Raum.
Man sieht also, daß die ungegenständliche Malerei - alle Malerei, die nicht auf kon-
krete Gegenstände Bezug nimmt - cine Raumdarstellung im eigentlichen künstlerischen
Sinne ausschließt. Denn wie wäre Ordnung zu erkennen, wenn nicht an Bekanntem, in der
Erfahrung Gegründetem. Ja noch weiter - Gestaltung im eigentlichen Sinne wird in
ihr unmöglich, da das Problem der Farbe hinzukommt.
XVle bekannt, besitzt jede Farbe ihren eigenen Raumwert, der sie in ein cigengesetzliehes
dreidimensionales Bezugssystem spannt. Gewisse Farben streben in die Tiefe, Andere
wieder in den Vordergrund. Löst man nun die Farbe vom Gegenstand, so gewinnt sie ein
Eigenleben, das in keine anderen Relationen als in dieses Bezugssystem eintritt. Dieses
Eigenleben manifestiert sich nach dcn optischen Gesetzen der Farbe in einem dreidimen-
sionalen Raum, wird dabei aber durch das Fehlen konkreter räumlicher llinweisc sinn-
los. So geschieht es, daß in allen gegenstandslosen Bildern, besonders in jenen mit starker
Farbigkeit, ein alogischer Raum auftritt, der aus Bruchstücken des dreidimensionalen
Raumes besteht und einer ungeordneten Welt entspricht. Mondrian hat diese Gefahr an-
scheinend erkannt: mit seinem orthogonalen Balkensystem versucht er die Farbe in die
Bildebene zu zwingen. Aber gerade hier wird das Scheitern an dem Versuch, eine neue
Ordnung herzustellen, besonders deutlich: der Raum Mondrians ist durch die doch vor-
handene Ticfenbewegung der Farbe, reduziert dreidimensional, wenn auch primitiv
geordnet.
An llartungs Bild „T SO - 21'" wird die Unordnung klar ersichtlich. Die Überschnei-
dungen der Farbe entsprechen nicht ihren tatsächlichen Raumwerten, es entsteht ein
diskontinuierlicher Bruchstückraum, der äußerste Zusammenhanglosigkeit zeigt. Diese
Zusammenhanglosigkeit eben soll durch den motorischen Gestus verdeckt werden.
Fritz Winters „Toter Wald" ist durch das dunkle Gestänge dichter verknüpft, wenn
man auch hier nicht von Gliederung sprechen kann. Aber aus dem Dunkel brechen die
unvermischtcn Blau, Grün, Rot und Gelh mit verdoppelter Wucht und zeigen den nicht
differenzierten und ungegliederten Raum, der die Bildebene zerreißt, mit peinlicher
Deutlichkeit.
Im Tachismus und ungegenständlichen Expressionismus bei Zao Wou-Ki und lleinrich
Hoffmann, wo nicht einmal mehr ein rhythmischer Gestus das Bild zu gliedern versucht,
es selbst nur als zufälliger Ausschnitt aus einem Unbegrenzten gesehen wird, kann
Raum nur durch Zufall entstehen: in kleinen Partikeln, in denen durch Eigenordnung der
Farbe Einsprengsel des Dreidimensionalcn sichtbar werden. Dabei gewinnt das Prinzip
der Umgestaltung noch eine eigene Bedeutung. Da es der Zufall - oder der „etat second
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