DURUTJI-MEUM
KUNSTABTEILUNG, WIEN, l., DOROTHEERGASSE 11,
Tel. 52 3129
608. Kunstauktion
17.,18.,19. und 20.Juni 1975
14 Uhr
Gemälde, Graphik,
Jugendstil, Skulpturen, antikes Mobiliar,
Antiquitäten, Asiatika.
Waffen.
Besichtigung:
12., 13., 14. und 16. Juni 1975 von 10 bis 18 Uhr
Sonntag, 15.Juni, von 9 bis 13 Uhr
Jahres 1975. Wie verhält sich der Komplex des
Kunstschoftens, der Kunstschulen, des Kunsthandels,
der Ausstellungen, des Museumswesens und des
Sammelns heute - im Vergleich zu den sechziger
Jahren - zu den übrigen Problemen unserer
Gesellschaft, zu ihren Existenzproblemen, wie
Inflation, Gemeinschaftsverschuldung, Umwelt-
zerstörung, Krise der Stadtplanung usw.
Die überschäumend zuversichtliche Zuwochs- und
Uberflußgesellschoft der sechziger Jahre hat sich in
eine von Krisen und Gefahren aufgeschreckte
und sich in ihrer Gesamtexistenz bedroht wähnende
Gesellschaft gewandelt.
Auf dem Sektor der bildenden Kunst ist die
hektische Aktivität des Kunstbetriebes stark
zurückgegangen. Dies bedeutet nicht, daß die
Qualität künstlerischer Schöpfung geringer
geworden ist. Die sich überlaut in Happenings und
vielfach frustrierten kurzlebigen Aktionen
gebördende Kunstszene ist ruhiger geworden. Der
billige Applaus der Uberflußgesellschaft ist
schwächer geworden. Die sich überstürzenden neuen
Richtungen sind langlebiger, spärlicher, deutlicher
geworden.
Die Ausweitung des Kunstbegriffes durch das
Hervorheben ieden, auch des minimalsten
schöpferischen Tuns hat manche Früchte gebracht,
deren Ernte ietzt vom lndustrial Design, von der
Gebrouchsgraphik eingebracht wird. Durch die
große Bewegung der Pop-art ist vieles heute
selbstverständlich geworden, was vor zehn Jahren
noch revolutionär klang. Die erregten Diskussionen
sind verklungen, ebenso wie das kurze Aufblühen
des Hippietums oder die Debatte um die
Zertrümmerung der überlieferten Formen der
Literatur, des Theaters.
Neue lmpulse hat heute der einzelne Schaffende
durch sein Werk zu setzen, weniger durch seinen
Auftritt. Es gilt, eine Ernte einzubringen. Der
Schaum setzt sich, und klarere Konturen bleiben
zurück.
Viel wird davon abhängen, wie der Staat weiterhin
sein Engagement als Kunstförderer fortführen
kann. Es wird besonders wichtig sein, vorhandene
Mittel sorgfältiger und gezielter als bisher
einzusetzen.
ln den sechziger Jahren konnten viele ihr Genügen
darin finden, als Künstler zu leben, sich als solche
zu gebärden. Heute ist es gottlob wieder
entscheidend, das meisterlich gestaltete Werk
vorweisen zu können. Das nur vergoldete Zeitalter
einer von Luxus und Rauschgift überhitzten
Kunstszene ist einer Zeit vernünftigeren Resultat-
denkens gewichen.
Der Künstler sieht sich betont als arbeitender
Mensch, als Werkschaffender, sein Resultat als
Arbeit, als Werk. Er distanziert sich von unpro-
duktiven Auswüchsen.
Eine wertvolle Folge der experimentierfreudigen
iüngsten Vergangenheit ist der große Aufschwung
der künstlerischen Graphik. Die moderne Massen-
gesellschaft ist mehr und mehr Verbraucher,
Sammler moderner Graphik geworden. Hier liegt
eine bedeutsame neue Komponente vor. Der
Durchbruch des - zumindest in kleinen Serien -
Reproduzierbaren ermöglicht auch dem Gehalts-
empfönger den Erwerb des Kunstwerkes.
Wenn wir also die Frage nach dem Stellenwert der
Kunst in der Gesellschaft von 1975 stellen, so ist
dieser - soweit es sich um Resultate, um Kunstwerke
handelt - nicht zurückgegangen. Gesunken ist
jedoch der Stellenwert reiner Kunstszene ohne
greifbares Resultat. Das bedeutende Werk wird
seinen Weg finden, der Künstler, der es vorzuweisen
hat, schließlich auch. r. k.