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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 172 und 173)

an des Geschmackes, die sich in den Meister- 
ren aller Zeiten feststellen iassenu, erforscht 
dargeboten, sondern alle Klassen der Gesell- 
aft so weit erzogen, daß "im Konsumenten wie 
Produzenten gewerblicher Erzeugnisse die 
tdiagen für ein richtiges Urteiiu vorhanden 
an. Die mit Hilfe des South-Kensington-Mu- 
ns, dem heutigen Victoria-und-Albert-Mu- 
n, auf breitester Basis durchgeführte kunst- 
lstrielle Reform- und Erneuerungsbewegung 
te bereits auf der zweiten Weltausstellung im 
'e 1855 in Paris zu "wirklich staunenswertenw 
zbnissen. Die "aus dem Gebrauch abgeleite- 
und von "einem praktischen Sinnu gestalte- 
Formen der englischen Kunstindustrie fanden 
Beifall der Sachverständigen. Diese Produk- 
entsprach mehr dem Leben und ließ die Fran- 
an das Schlimmste befürchten und um ihre He- 
onie bangen. England war allen Ernstes zum 
iien im Konkurrenzkampf um die kunstindu- 
eile Vormachtstellung in der Weit aufgerückt, 
dies allein mit Hilfe einer auf den Menschen 
igenen Erziehung und Bildung des Ge- 
nackes durch wissenschaftlich-museale Re- 
imaßnahmen. 
h deutlicher zeigte sich das Ergebnis der An- 
tnung aller Kräfte im Jahre 1862 auf der drit- 
Weltaussteilung, die wieder in London statt- 
l. Nun waren die englischen Fortschritte auf 
1 Gebieten offensichtlich. Sie erregten die 
volle Bewunderung aller Rivalen. Sie waren ei- 
llänzende Rechtfertigung der museal-wissen- 
aftlichen Fieformbestrebungen und machten 
"Welt den praktischen Wert der Kunst und das 
nsive Wechseiverhältnis von Kunstbildung, in- 
:rie und Nationalwohlstand klar. Zehn Jahre 
1 Sempers epochemachender Schrift, nach 
er Forderung einer Synthese von Wissen- 
aft, Industrie und Kunst, feierten seine Ideen 
n einmaligen Triumph. Hineingestelit in die 
ierungen und Errungenschaften der Zeit, ver- 
die museal-wissenschaftliche Reformbewe- 
g den Weltausstellungen eine impulsive Kraft, 
sich keine Nation entziehen konnte. 
:fried Sempers Reform; "Wissenschaft, Indu- 
l und Kunst:- 
lfrled Sempers Reformvorschläge begannen 
auf dem Kontinent zunächst in der österrei- 
chen Donaumonarchie auszuwirken. Hier war 
lach 1848 durch die forcierten Maßnahmen in 
zu einem modernen industriestaat sich ent- 
reiten Monarchie zu einer ungemein regen Be- 
ing auf allen Gebieten des Daseins gekom- 
l. Der Entschiuß des Kaisers, diesem Auf- 
uung auch in seiner Haupt- und Residenzstadt 
n durch die Schieifung der Basteien und Fortl- 
fikationen Ausdruck zu verleihen, führte ab 1857 
nicht nur zu den größten Bauvorhaben des 
19. Jahrhunderts, sondern auch zum bedeutend- 
sten kulturellen Zeugnis des industriellen Zeital- 
ters, der Wiener Ringstraße. 
Die wirtschaftliche und künstlerische Bedeutung, 
die dieses Bauvorhaben durch seine Dimension 
(6,5 km lang, 57 rn breit) hatte, rief nicht nur die be- 
sten internationalen Architekten auf den Plan, 
sondern auch alle jene Männer, denen die Förde- 
rung und Reform der heimischen Kunstindustrie 
schon immer als eine patriotische Pflicht erschie- 
nen war. in erster Linie fühlte sich Rudolf von Ei- 
teiberger hierzu berufen, der, in Oimütz 1817 gebo- 
ren, ab 1852 an der Wiener Universität Kunstge- 
schichte lehrte und sich als Mitglied der Kunst- 
kommlssion für die Weltausstellungen schon lan- 
ge rückhaltlos für das Reformprogramm Gottfried 
Sempers eingesetzt hatte. Als er daher im Jahre 
1862 als Mitglied der Kommission für die Weltaus- 
stellung in London fungierte, mußte er nicht nur 
den Rückstand Österreichs und aller deutschen 
Lande feststellen, sondern ebenso den Fortschritt 
der englischen Produktion, der durch die zehnjäh- 
rige Erziehungsarbeit des South-Kensington- 
Museums zustande gekommen war. Noch in Lon- 
don kam es dann zu einer Besprechung zwischen 
Eiteiberger und dem österreichischen Ministerprä- 
ß! Qäy. _. 
1 Jacob B. Josef Kohn, iiSitzmaschineu, Entwurf Josef 
Hoffmann, Kunstschau Köln, 1908 
2 Der Wiener Karntner Ring mit der jungen Ringstraße 
am Eröffnungstag der Wiener Weltausstellung, dem 
1. Mai 1873. Ein Zeitbiid in starkem Kontrast zu den 
Umwälzungen und Neuerungen des späteren 19. Jahr- 
hundens 
3 Wiener Weltausstellung 1873. Die "Ansicht der Rotun- 
de vom Bassin aus- 
4 Wiener Weltausstellung 1873. Ziegeiportai von der 
Wienerberger Ziegeifabriks- und Baugeseilschaft, ent- 
worfen von Heinrich Ritter von Farstel 
 
sidenten Erzherzog Rainer, der die Ausstellung ge- 
sehen hatte und davon tief beeindruckt war. Rai- 
ner forderte Eiteiberger auf, konkrete Vorschläge 
zur Reform, zur Hebung und Förderung der heimi- 
schen Kunstindustrie und Geschmacksbiidung 
auszuarbeiten. 
Eiteiberger verfaßte eine Denkschrift, in der er die 
englischen Bestrebungen würdigte, auf das Wech- 
selverhältnis zwischen Kunstbildung, Industrie 
und Nationaiwohlstand hinwies und insbesondere 
die Verdienste des South-Kensington-Museums 
herausstellte, das damals auf dem Höhepunkt sei- 
ner Entfaltung stand. Um der europäischen Kon- 
kurrenz die Spitze zu bieten, müsse Österreich ei- 
ne dem South-Kensington-Museum ähnliche Insti- 
tution ins Leben rufen, wobei die österreichischen 
Verhältnisse zu berücksichtigen wären. Die Denk- 
schrift wurde dem Kaiser vorgelegt, der mit der 
Weisung reagierte, daß Eiteiberger sich unverzüg- 
lich mit der Frage der Gründung eines Museums 
befassen möge, das in erster Linie zur Hebung des 
Geschmackes dienen solle. Nach den nötigen Vor- 
arbeiten konnte Eiteiberger dem Kaiser in kurzer 
Zeit einen direkten Vorschlag zur Gründung eines 
österreichischen Museums für Kunst und Indu- 
strie unterbreiten. Die Antwort des Kaisers erfolg- 
te in einem Handschreiben an seinen Vetter Erz- 
herzog Rainer, worin er seinen Willen mitteilte: 
 
iiDa es für den Aufschwung der österreichischen 
Industrie ein dringendes Bedürfnis ist, den vater- 
ländischen Industriellen die Benützung der Hilfs- 
mittei zu erleichtern, welche die Kunst und Wis- 
senschaft für die Förderung der gewerblichen Tä- 
tigkeit und insbesondere für die Hebung des Ge- 
schmackes in so reichem Maße bieten, so finde 
ich anzuordnen, daß eine Anstalt unter Benen- 
nung ,Österreichisches Museum für Kunst und in- 
dustrie" ehestens gegründet werden: 
Das vÖsterreichische Museum für Kunst und indu- 
strieir 
Mit diesem kaiserlichen Handbiliett war der ent- 
scheidende Schritt für die Gründung des Österrei- 
chischen Museums für Kunst und Industrie getan. 
Der Hof stellte das im Zentrum der Stadt liegende 
Ballhaus, einen für höfischen Zeitvertreib dienen- 
den anspruchsiosen Bau, dem neuen Museum zur 
Verfügung. Am 12. Mai 1864 wurde dieses erste 
Museum für Kunst und Industrie auf dem Konti- 
nent feierlich eröffnet. In der Folge unternahmen 
Eiteiberger und seine Mitarbeiter alles, um die in 
den Statuten vorgesehene Tätigkeit des Hauses 
zu verwirklichen, "die Hilfsmittel, weiche Kunst 
und Wissenschaft den Kunstgewerben bieten-i, 
bereitzustellen und wbehufs der Forderung kunst- 
gewerbiicher Tätigkeit und der Hebung des Ge- 
schmackes überhaupt Ieicht benutzbaru zu machen. 
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