hingewiesen. Auch ist uns aufgefallen, daß man bei Geschenken hoher
Frauen, denen man doch nicht so viel Zeit zur Arbeit zumuten konnte, oder
gar bei männlichen fürstlichen Spendern, das Werk gerne als Arbeit der
Töchter ansah. Bei solchen Zuschreibungen muß man immer vorsichtig
sein, wenn in der Überlieferung auch irgendein wahrer Kern stecken mag.
Bei unserer Stickerei ist es nun aber gewiß völlig ausgeschlossen, daß
sie von den Töchtern des Kaisers ausgeführt worden ist; denn wir haben
ganz sicher eine ostasiatische Arbeit vor uns. Die Zeichnung sowohl als die
Technik und das Material schließen für den, der ostasiatische Arbeiten in
größerer Anzahl und genauer besehen und mit europäischen Erzeugnissen
vergleichen konnte, wohl jeden Zweifel aus. Die freie Anordnung, der Natu-
ralismus verbunden mit merkwürdiger Phantastik, besonders in den phönix-
artigen Vögeln, die eigentümliche Form der lotosartigen und anderen Blumen,
der gefieckten Hirsche und I-Iirschkühe, der Insekten, der Papageien (oben
auf der Farbentafel) müssen als echt chinesisch angesprochen werden. Chine-
sisch ist auch die ganze Farbengebung, das eigenartige Nebeneinandersetzen
und Ineinander-Sprenkeln von Farben, sowie das weiche Seiden- und_ Gold-
material (mit spiralförmig gewickeltem goldenen Papiere). Auf das Grund-
gewebe von wunderbar erhaltenem Blau sei hier nur kurz hingewiesen.
Daß diese Arbeit ostasiatisch ist, kann also wohl nicht bezweifelt wer-
den. Es entfallen damit auch alle in der genannten Schrift nach dem Aufsatze
von ]. Krainz (in den Mitteilungen des historischen Vereins für Steiermark
XXIX, 2 37 f.) angeführten Bemerkungen und Vermutungen über die kirchlich '
oder geschichtlich sinnbildliche Bedeutung der Motive, soweit sie nämlich
Beziehungen in europäischem Sinne bieten sollen. In der ostasiatischen Vor-
stellungswelt haben die dargestellten Dinge ursprünglich ja gewiß sinnbild-
liche Bedeutung gehabt; doch ist sie bei so naturalistischer Ausführung sicher
schon für den Ostasiaten stark zurückgetreten und kaum mehr bewußt
gewesen. Um so weniger kann sie uns hier beschäftigen. jedenfalls haben wir
aber, wie gesagt, eine ostasiatische Arbeit vor uns. Es handelt sich nur um
die Feststellung der Zeit, der sie entstammt.
Was wir in europäischem Besitze an sogenannten altchinesischen und
altjapanischen Stickereien besitzen, hält einer genauen Untersuchung ja fast
nie stand. Es sind fast immer höchstens späte Nachahmungen älterer Motive;
wir können von einer Seltenheit sprechen, wenn man ein Werk mit einigem
Grunde in das XVIII. Jahrhundert versetzen kann.
Nun wird man aber auch zugeben, daß sich unter den zahllosen ost-
asiatischen Arbeiten, die unsere öffentlichen und Privatsammlungen beher-
bergen, wohl nur ganz wenige finden, die sich mit unserem Stücke nur
entfernt an wundervoller Farbenwirkung, Kühnheit der Zeichnung und
geschickter Ausführung messen können.
Man muß allerdings Eines berücksichtigen, daß unser Stück heute selbst-
verständlich nicht mehr im ursprünglichen Zusammenhange erscheint. Es
wäre ja nicht unbedingt ausgeschlossen, daß ein europäisches Kirchen-