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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 6
kann junge Künstler, die noch mit sich selbst, ringen und
noch im unklaren sind, für welchen Weg sie sich ent
scheiden sollen, in eine falsche Richtung drängen oder
mindestens in Irrtümern bestärken, die sie sonst, sich
selbst überlassen, überwunden hätten. Und was dabei
nicht am wenigsten bedenklich ist: auch derjenige Teil
des Publikums, der nicht zu den Snobs und gedanken
losen Nachbetern gehört — diese sind gar bald bereit,
ohne innere Ueberzeugung auf eine neue Richtung zu
schwören — wird schließlich steter Tropfen höhlt den
Stein — dadurch irritiert, daß die sogenannte neue Kunst
an allen Ecken und Enden in den Vordergründ ge
schoben wird, während das stille, ehrliche und unauf
dringliche Künstlertum äußerlich ins Hintertreffeh zu ge
raten scheint.
Eine an die Konkurrenz anschließende Kollektiv
ausstellung vermittelte die wertvolle Bekanntschaft mit
dem Künstlerpaar Eduard Csank und Elsa Csan k-
L e s i g a n g. Die Landschafts-Aquarelle der letzteren
stellen Motive aus der mährischen Heimat und aus dem
österreichischen Süden mit beachtenswertem Können
dar; sehr liebevoll hat die Malerin Verschiedene
Interieurs wiedergegeben. Eduard Csank hatte eine An
zahl von Porträts ausgestellt und bei mehreren Erei-
lichtstudien gute Qualitäten an etwas zu gedrungene
Modelle verwendet; seine Stärke liegt unstreitig in der
Landschaft, bei welcher ihm Wasser, Licht und Luft in
den verschiedensten Stimmungen trefflich geluhgen sind.
Die gleichzeitig im kleinen Saal veranstaltete Kollektiv
ausstellung Joh. L ö ß 1 zeigte die Vielseitigkeit des
Künstlers in Porträts, Landschaften, Stillciben und
Studien, die bei einiger Ungleichheit der Valehrs einen
vortrefflichen Oesamteindruck hinterließen. Die Plastiken
M. V. Horsetzkys, zumal die Fayencen, eignen sich
in ihrer gefälligen Ausführung gut zur Reproduktion.
Seit wenigen Tagen beherbergt der Salon Pisko zwei
neue Gäste: den Münchner Hegenbart und den
Wiener Dr. Bleichsteiner. Hegenbarts Tempera
bilder zeigen in Format und Auffassung einen monumen
talen Stil, dessen Kraft durch jene Harmonie der Formen
und des Ausdrucks wesentlich gewinnen könnte, für
welche der Künstler in seinen Radierungen feines Ver
ständnis bekundet hat; unter den zahlreichen Zeich
nungen sind die »Ringer« (27), die »Fechter« (45) und die
»Bewegten Leiber« (50) hervorzuheben, in welchen
Hegenbart eine spielerische Sicherheit der anatomischen
Darstellung zeigt. Dr. Bleichsteiner versteht es,
sich vorteilhaft zu differenzieren; neben einer Lithographie
ist ein Blatt mit Tierstudien (29) zu loben, als Land
schafter erzielt er mit Pastell und Oel sehr schöne
Wirkungen, w-obei, ohne sein Verdienst schmälern zu
wollen, die glückliche Wahl der Vorwürfe mitspielt. Der
»Bootshafen in Ithaka« (20), die »Windmühlen vor Argo-
stoli« (16) und das »Val Catena von Brioni« (17), be
sonders aber der »Torweg in Rovigno« (6) mit dem vor
trefflich gelungenen Halbdunkel der engen Gasse seien
vor allem genannt.
Die Galerie Arnot hat vor kurzem die Aus
stellung Karl Probst geschlossen, der insbesondere als
Darsteller altdeutscher Milieus und Genreszenen schon
lange rühmlich bekannt ist — ein Interieur aus Kreuzen
stein mit einer ganz wundervollen Behandlung des "Stoff
lichen fiel diesmal besonders auf — aber auch als Land
schafter und Porträtist Hervorragendes leistet. Jetzt ist
bei Arnot eine Kollektivausstellung von Tina Blau zu
sehen; trotz ihrer Reichhaltigkeit merkt man bald, daß
sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen kann, da
der Prater nur mit zwei Bildern, das eine — ein Pastell
mit zarten Farben, etwa im Vorfrühling, das so recht
einen Begriff von der Kunst der Meisterin gibt — ver
treten ist; wahrscheinlich sind die anderen längst in alle
Welt hinausgewandert. Ueberflüssig, über die Art der
Künstlerin viel Worte zu sagen: ihre tiefe, ehrliche, fast
männlich zu nennende Kunst, ihre starke Charakteri
sierungsfähigkeit, ob sie nun Holland mit seinen satten
Weiden und der schweren Luft darstellt, oder eine sonnig-
heitere Landschaft des Südens darstellt, bedürfen keines
Lobes mehr.
Im Kunstsalon Halm & Goldmann, der sich
heuer glücklich eingeführt hat, stellt Professor Liese
gang, den Wienern bisher unbekannt, eine Anzahl von
Pastellen aus, die hauptsächlich als Skizzen zu Ge
mälden aufzufassen sind und so kein abschließendes Ur
teil gestatten; wer die Vorzüge der Düsseldorfer Schule
schätzt, wird sie auch in den Blättern dieses ihres Ver
treters finden. Neben den minutiösen Radierungen Kon-
rad W a r d s, die im selben Raum zu sehen sind, ver
lieren sic jedenfalls an Wirkung. Ward, der auch gute
Rötel- und Bleistiftköpfe und -Zeichnungen bringt, hat
die guten Qualitäten, die bei den englischen Graphikern
erfreuliche Regel sind, auf Wiener Sujets übertragen;
seine »Schönlaterngasse« (3), »Kirche im Kahlenberger
dorf« (6), das »Kahlenbergerdorf im Schnee« (27), der
»Franziskanerplatz« und von den Radierungen im kleinen
Format der »Sulzweg bei Salmannsdorf« (23) kann man
als Kabinettstücke der Nadelkunst bezeichnen.
Bei Miethke sieht man Pablo Picasso, den
Vater, besser Konstrukteur des Kubismus; eine
geometrische Malerei, bei welcher zumeist wesenlose, im
Raume schwebende Figuren, mit Andeutungen von
Körperlichem vermengt, das eine Mal ein weibliches Por
trät, das andere Mal einen Akt und dann wieder etwas
anderes darstellcn sollen. Einige Zeichnungen beweisen,
wie unpolitisch Erfinder einer neuen Kunstreligion sein
können, da Picasso in diesen — offenbar im Anfang
seiner Karriere - verschiedene Sujets in ganz normaler
Weise auf die Leinwand gebracht hat. — Im ersten Stock
kann man sich bei den Bildern Ludwig M. F ii r s t s er
freulich erholen; von den verschiedenen Genres liegen
ihm zweifellos die Marinen am besten, die er in den
mannigfaltigsten Beleuchtungen und Stimmungen nobel
und gediegen gemalt hat und die selbst unter den
ungünstigen Lichtverhältnissen des Saales wenig Ab
bruch an ihrer Wirkung erleiden. — Im Vorbeigehen sieht
man noch zwei Makartsehe Bleistiftzeichnungen, eine
schöne, braungetönte Landschaft in Gewitterstimmung
von Canon, eine ländliche Familienszene bei offener
Tür und eindringendem Sonnenschein von Wald-
tn ii 1 1 e r, von der nur gesagt zu w erden braucht, daß
sie eben nach Waldmüller aussieht, und einen biblischen
Danhauser: Josef und Potiphar.
Bei Heller Tusch- und Kohlenzeichnungen von
Hermann Paul, der als Karikaturist seine französische
Nationalität nicht verleugnet (»A Saverne«, »... 10 marks«)
und auch die Groteske nicht verschmäht. Aber nicht nur
seine Karikaturen, sondern auch seine Veduten und Land
schaften zeigen bei aller Flüchtigkeit oft in wenigen
Strichen eine große Prägnanz und geben ihm Anspruch
auf eine die zeichnerische Aktualität überdauernde
Künstlerschaft. Die Aquarelle von Jan Oeltjen sehen
mit ihren grellen Farben auf den ersten Blick wie Mani
festationen der radikalen Moderne aus, überraschen aber
dann immerhin angenehm durch richtige Zeichnung und
meist korrekte Perspektive. Daß sie sehr flüchtig hin
geworfen sind, wird dann nicht genieren, wenn man sie
nur als Skizzen auffaßt und nicht darüber hinaus prä
tendiert.