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Volltext: Monatszeitschrift V (1902 / Heft 5)

auf seine Umgebung) schon das Moderne streifenden Hellmalerei voll zur Geltung kommen. 
In ihrem Nebeneinander wirken die drei Bilder schon durch die Verschiedenheit des Schau- 
platzes. juno, die richtige Giunone aus der Sphäre Veroneses, schwebt in einer weichen, 
goldigen Atmosphäre, deren Leichtigkeit sogar durch die bicyclehafte Zierlichkeit ihrer 
grossen goldenen Wagenräder gekennzeichnet wird. Amphitrite ist der Mittelpunkt einer 
ganz prächtigen Marine, sie fährt auf dem Muschelkahn mit breiten holzähnlichen Rad- 
speichen, die schon an einen Raddampfer erinnern, über das weite, blaue, graue, silber- 
schimmernde Meer, hinter dessen dunklen und hellen Wogenkämmen eine unendliche 
Ferne von Dunst und Flimmer zu liegen scheint. Ariadne ruht in schöner oberitalienischer 
Landschaft, am Fusse der Hügel von Vicenza oder Asolo etwa, mit phantastischen 
Dolomitenzacken im Hintergrunde, vor denen ein weissteinernes Terraferma-Städtchen 
von landesüblicher Rechtwinkligkeit sich abhebt. Mannigfaltig ist aber auch die Staffage 
dieser drei Landschaften. Tritonen, Seeschimmel, Panther und Pfauen, flatternde, reitende, 
ruhende Putti, küssende Liebespaare, dazu gleissende Brokate, Perlenschnüre, Ober- 
armbänder mit grossen Kameen, rothe Korallenzweige, von jauchzenden Amorini 
gleich grünem Laub geschwungen, alles was zur glänzenden Renaissance- oder Barock- 
Einrichtung eines Deckenbildes gehört. An der weiblichen Hauptfigur bewundert man 
jedesmal die hellblonde silberschimmernde Fleischpalette, die Paolo Veronese eigens dem 
Tiepolo vermacht zu haben scheint. Es sind noch immer die echten, nimmer alternden 
Huldinnen aus „Venezia Anadiomene", wie d'Annunzio die seestädtischeste der Seestädte 
nennt. Blank, wie aus den Wogen gestiegen, auf ewig schaumgeboren in ihrer unver- 
welklichen Silbernheit. Und dabei hat ihre Karnation doch schon Augenblicke, wo sie ins 
Rokoko fallt und sich in allerlei Pointen von rotem Zinnober mit dem mythologischen 
Fleische der Boucher-Watteau-Zeit berührt. (An der Ariadne am deutlichsten.) Diesen 
Lichtgestalten, die einen hellen Glanz um sich zu verbreiten scheinen, setzt der Künstler 
dunkle entgegen, die bei ihm in der Regel schwächer sind. Er ist von Haus aus eine 
Lichtnatur, für die Skala aller Helligkeiten geboren. Aber um einen guten Einfall auch für 
diese Kontrapostgestalten ist er nicht verlegen. Wie reizend ist zum Beispiel auf dem 
Junobild die dunkle Gegenfigur der Luna, die vor der hellen Herrin lächelnd abwärts 
schwindet und den Vollmond mit sich nimmt. Mit emporgestreckten Armen hält sie ihn 
über ihrem Haupte fest, ein wirkliches trübseliges Gesicht, von dunklem Wolkenkranz 
wie von einem runden Porträtrahmen umgeben. Es ist schon ganz wie für eine Kupfer- 
stich-Vignette von Gravelot oder Moreau le jeune gedacht. Die Entstehungszeit der 
Bilder muss zwischen 1738-1740 fallen. Die Fresken in Villa Valmarana bei Vicenza sind 
von x737. Geistreich bemerkt Heinrich Modern, dass man Tiepolos Geliebte Christine, 
die schöne Gondolierstochter, die von 17 38 an ein Vierteljahrhundert lang sein Lieblings- 
modell bleibt, nicht übel als Datirungsbehelf beiziehen kann, da ihr stetig zunehmendes 
Embonpoint für Jahreszahlen einsteht. Sie setzt, möchten wir sagen, Jahresringe an, die 
man so ungefähr zählen kann. In den vorliegenden Gemälden prangt sie noch, unter allen 
drei Aspekten, in der üppigen Anmuth einer venezianischen Jugendlichkeit. Der umsichtige 
Verfasser ist übrigens auch den Spuren nachgegangen, die zu den vorliegenden Bildern 
oder auch von ihnen weg führen. Eine Skizze zur Amphitrite befindet sich bei Baron 
Giuseppe Sartorio in Triest, vier Studienzeichnungen für Arm und Hand im Museo civico 
Zu Venedig. Anklänge, sogar ganze Figuren, linden sich in den Malereien von Villa 
Valmarana, im Palazzo Labia zu Venedig und noch anderwärts. Selbst einzelnen Atelier- 
Requisiten, wie dem Fiaschetto des Bacchus oder dem Kameenarmband Amphitrites folgt 
der Verfasser durch alle Länder und Bilder. Er hat das Thema mit sichtlicher Passion 
durchforscht.
	        
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