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Volltext: Monatszeitschrift IX (1906 / Heft 3)

mantel und Allongeperrücke, emporsteigen. 
Der Klassizismus beseitigte diese Übertrei- 
bungen wieder; er brachte die schlichte Urne, 
das Wandgrab, die Stele, die Säule, nach 
Napoleons Feldzug in Ägypten auch den 
Obelisken und die Pyramide wieder zurück. 
Canova schuf dabei einen neuen Typus, in- 
dem er die Pyramidenform als Wandgrab 
benützte und zur Leichenkammer gestaltete, 
in welche Trauernde mit Blumenspenden 
eintreten. Seine zuerst an dem Grabmal der 
Erzherzogin Marie Christine in Wien in 
edelster Form verwirklichte Idee wurde 
etwas abgeschwächt an seinem eigenen und 
dem Tizians in der Frarikirche zu Venedig 
wiederholt, ohne an seiner Mustergültigkeit 
einzubüßen. Die von Hinterbliebenen oder 
anderen Leidtragenden allein oder in Beglei- 
tung allegorischer Gestalten besuchte Grab- 
kammer gehört von da an zu den häufigsten 
Exumarabstätte Enerymünchenulüd. Motiven plastischen Gräberschmuckes. Die 
Friedhof modernen italienischen Friedhöfe, diese reich- 
besetzten Warenlager von Carraramarmor in allen möglichen Gestaltungen, 
die in barocken Einfällen von maßloser Unruhe die Papstgräber noch weit 
hinter sich lassen und einen förmlichen Hohn auf diese Stätten des Friedens 
und der Ruhe bilden, sind voll von derartigen Grabmälern. In Wien nahm 
Tilgner sie in feinerer und vereinfachter Form wieder auf, doch konnte er 
dabei gesuchte Koketterie, die jain seiner ganzen Kunst liegt, nicht vermeiden. 
Erst Bartholome füllte die alte Idee mit neuem Gedankeninhalt, indem er sie 
verallgemeinerte und über das Persönliche heraushob. Völlig neu ist sein 
Werk also nicht, nur die Art, wie er in der unteren Nische seines berühmten 
Grabbaues von Pere Lachaise die Unsterblichkeit ausdrückt, dürfte für die 
Plastik wenigstens allein dastehen. Quer über den Leichen seiner Eltern, die 
Hand noch immütterlichenSchoße, liegt das neu geborene Kind, ein Symbol des 
aus demTode entsprungenen, immerwieder erneutenLebens, das über den Tod 
triumphiert, wie auf jener Radierung Klingers das Kind, das auf dem Leich- 
nam seiner aufgebahrten Mutter hockt und verwundert ins Leben hineinstarrt. 
Wie damals in der Barockzeit macht sich jetzt in der herrschenden 
Grabskulptur das Schwinden der religiösen Überzeugung in gewissen 
Übertreibungen kirchlicher Lehren geltend. Was sagt dem Gläubigen an 
dieser Stelle nicht das Kreuz allein! Alle mit der Erlösung, Auferstehung 
und Unsterblichkeit zusammenhängenden Ideen sind in diesem Symbol 
vereinigt. In seiner großartigen Einfachheit wird es dem echten Künstler 
immer das edelste Motiv bleiben. Auch jetzt ist es der beliebteste Schmuck 

	        
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