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bild dar, um durch die nähere Verbindung der Kunst mit der Industrie
die Concurrenzfahigkeit der österreichischen Producte für die Folge zu
erhöhen. _
Dem vielfach empfundenen Bedürfnisse, „dass auch in Oesterreich
etwas Verwandtes entstehen müsse", wurde durch das a. h. Handschreiben
Sr. Majestät des Kaisers an Se. kais. Hoheit den durchlauchtigsten Herrn
Erzherzog Rainer vom 7. März 1863 insoferne entsprochen, indem die
Gründung eines „k. k. österreichischen Museums für Kunst und Indu-
strie" nach dem Muster des South-Keusington-Museums angeordnet wurde.
Der ausserordentlich starke Besuch und die lebhafte Benutzung dieser
Anstalt von Seite der Künstler und Kunsthandwerker sowie des grossen
Publicums sind ein sprechender Beleg dafür, dass mit dieser Schöpfung
ein wirkliches Bediirfniss der Gesellschaft befriedigt worden ist.
Die Wirksamkeit des österreichischen Museums ist jedoch an und
für sich noch nicht hinreichend, die Bedürfnisse der Industrie in der an-
gedeuteten Richtung zu befriedigen und eine längst fühlbare Lücke im
Unterrichtswesen auszufüllen.
Das Museum ist berufen das Verständniss zu wecken; es soll den
richtigen Geschmack verbreiten und nach Bedürfniss für Schulen und
Fabriken die Materialien zur Lehre der Nachbildung liefern. Aber einer-
seits reicht die Wirksamkeit des Museums, ungeachtet seiner Filialaus-
stellungen in verschiedenen Reichstheilen, nicht weit genug und nicht
gleichzeitig überall hin; andererseits liegt es überhaupt nicht in seiner
Macht, die Hand zu bilden und den Erlindungsgeist zu "üben. Und darauf
kömmt es doch wesentlich an, dass dasjenige, was im Museum und mit
Hilfe desselben gelernt wird, in der heimischen Kunstindustrie zu selbst-
ständiger und wahrhaft neuer Verwerthung gelangt. Das Museum wird
die beabsichtigte Wirkung nie vollständig hervorbringen, wenn ihm nicht
eine Schule zur Seite steht, welche direct die Kunstrichtung des Handv
werkes vertritt und so den Grund legt, damit das Schöne und Künstle-
rische der vorgetiihrten Vorbilder bei den Kunsthandwerkern in Fleisch
und Blut übergebe.
Das Bedürfniss, die Kunstindnstrie in solcher Weise zur selbststän-
digen Production nach guten Mustern vergangener Jahrhunderte anzu-
regen, ist in Oesterreich im höchsten Grade und wie sonst nirgendwo
vorhanden. Die österreichische Kunstindustrie steht hinter der ausländi-
schen nicht nur zurück; sie ist iu mehr als einer Richtung von dem
fremden, insbesondere dem französischen Geschmaeke abhängig. Manche
Industriellen lassen sich die Muster vom Auslande kommen, um sie zu
benutzen; sie setzen sich mit jenen Instituten des Auslandes in Verbindung,
die mit dem modernen Geschmacks vertraut sind, ja sie holen sich selbst
geschicktere Ausarbeiter von auswärts. Die inländischen Arbeiter stehen
häufig auf dem Punkte, dass sie nicht nur nicht selbst richtig und styli-
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