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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1895 / 9)

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unser geistiges Brot muss durch mühevolle Denkarbeit erlangt werden, 
aber wir müssen darauf bedacht sein, den Lernenden nicht zu ermüden 
und zum ernährenden Fruchtgenusse unfähig zu machen, was durch 
herabstimmendes und zu weit getriebenes Theoretisiren ebenso möglich 
wäre, als durch ein unnöthiges Hinausschieben des Lehrzieles. Wir er- 
reichen unsern Zweck durch Uebertragen des theoretischen Motivs 
auf das praktische Beispiel, und zwar im Wege eindringlicher 
Vorträge und figurenreicher Entwürfe an der Tafel. Wir lehren 
unter beständiger Festhaltung der wissenschaftlichen Principien auch noch 
so, wie es die Werkstätte und das Atelier erfordert, also nach einer 
Lehrweise, die Jeder erst selbst aus dem Grunde lernen muss, der ein 
Collegium von Praktikern vor sich hat, die das auch können wollen, was 
sie können müssen. Diese Führung des öffentlichen Lehrdienstes 
lässt dem Lernenden den Unterricht auch in den als Hilfsfächer be- 
zeichneten Gegenständen bedeutungsvoll erscheinen. 
Die beispielsweise an der Wiener Kunstgewerbeschule unter Befolgung 
eben erörterter Unterrichtsprincipien erzielten Erfolge wirken so ermun- 
ternd, dass es nicht Wunder nehmen darf, wenn das auf die einschlägige 
Lehrpraxis aufmerksam gewordene Ausland diese günstigen Resultate 
mit Interesse verfolgt und nachstrebend nützt. So ist durch das ziel- 
bewusste Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte in Wien diese Schule 
als moderne Errungenschaft ausgestaltet und herangereift, deren Ruf 
die Grenzen des Vaterlandes überschritt und dermalen als nachahmungs- 
würdige Institution gelten kann. Sie kommt dem idealen Streben der 
Culturvölker zu Nutzen und beweist durch die Tüchtigkeit ihrer Anlage 
und ihrer vorsorglichen Weiterbildung auch in diesem Zweige die gestal- 
tende Kraft unserer Unterrichtsverwaltung! 
Allerdings brauchte es Jahre, ehe das Unterrichtsbild in den be- 
zogenen Fächern das heutige Ansehen gewann. Wie Strich um Strich 
nötbig ist, um ein Bild zu gestalten, so war Lehrversuch um Lehrversuch 
nöthig, um das System auszuprägen und zum Ganzen zu zimmern. Die 
Schulstube wurde so, neben der Absolvirung der Erfordernisse des laufen- 
den Unterrichtes, zu einer im eigentlichen Wortsinne zu nehmenden Ver- 
suchsanstalt für constructives Zeichnen und für Auffindung 
und Ausbildung möglichst einfacher Darstellungsmethoden. 
-- Grundlegende Versuche im Körperzeichnen wurden aller Orten 
unternommen, an bemerkenswerther Stelle vornehmlich an der Salzburger 
Staatsgewerbeschule, die, später nach Wien verpflanzt, in dem Darstellen 
perspectivischer Gebilde und einer hieraus sich entwickelnden Zeichenart 
ihrem originellen Abschlusse zugeführt wurden. 
Ein weiteres Erforderniss der neuzeitlichen Darstellungskunst ist 
die Lösung der Aufgabe: das Flächliche im Wege des Modellirens 
zum Räumlichen zu bilden. Man unterscheidet sofort die zwei 
Hauptlösungen: Von in der Natur vorhandenen Objecten maß- 
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