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Material, noch mit der gleichen Vollendung gearbeitet sein. Eben so
selbstverständlich ist die Folge, dass sie von der reichen oder vornehmen
Dame, die sich auf Spitzen versteht, zurückgewiesen werden; sie will mit
vollem Rechte lieber theurer zahlen, wenn sie dafür hat, was gut ist und
ihr gefällt.
Es kommt nun weiter hinzu, dass die Art der Spitzen-Ornamentation,
wie sie heute die Franzosen und Belgier betreiben und wie sie augen-
blicklich noch in Mode steht, an sich eine verkehrte ist. Dieses natura-
listische Genre durch einander geworfener oder verstreuter Blumen und
Bouquets macht unruhigen und wirren Eindruck, und um so mehr, als
ja die Ausführung nur in Einer Farbe, in Weiss oder Schwarz, stattfindet.
Ist das schon bei den französischen Originalen der Fall, die wenigstens
den Vorzug einer gewissen Leichtigkeit und Duftigkeit haben, um wie
viel mehr bei den erzgebirgischen Imitationen. Je geringer und beschei-
dener das} Kunstmittel ist, um so mehr muss die schöne Zeichnung mit
Ordnung und Uebersicht wirken.
Dieser Umstand, der ein neues Hinderniss zu sein scheint, kann
aber in richtiger Benutzung für unsere Spitzen zum grossen Heile dienen.
Die Vorliebe, welche heute den alten Spitzen zugewendet wird, die Be-
gierde, mit welcher sie gesammelt und getragen werden, der Eifer, der
sich ihrer wissenschaftlichen Erforschung, selbst in Schulen und Dilet-
tantenkreisen ihrer Nachahmung zuwendet, beweisen uns, dass auch auf
diesem Gebiete die Stunde des bisherigen französischen Geschmackes ge-
schlagen hat. Es wird ganz gewiss ein Umschwung stattfinden und dieser
wendet sich eben so gewiss den alten Mustern zu, wie das bisher bereits
auf allen übrigen Gebieten der Kunstindustrie geschehen ist.
Unter diesen Umständen wäre es die Aufgabe, die österreichische
Spitzenfabrication zu befähigen, dass sie diesen Umschwung rechtzeitig
mitmachen, ja in demselben vorausgehen und der Welt die neuen Mode-
formen zuerst vorführen kann, welche doch einmal binnen kurzer Zeit
unausbleiblich kommen werden. Dass sie dessen im Momente nicht fähig
ist, das ist klar, aber eben so wenig scheint die Möglichkeit in Zweifel
zu stehen, wenn anders die rechten Mittel angewendet werden. Die Mög-
lichkeit geht aus dem hervor, was bereits geschieht, aus den Arbeiten
mancher Damen, welche die Imitation alter Spitzen mit Erfolg betreiben
- auch die Weihnachts-Ausstellung gibt Beispiele -, aus den Leistungen
des Spitzencurses an der Schule des Frauen-Erwerbvereines und der
höheren Fachschule für Stickerei, die eine Menge geschickter Hände in
vergessener Spitzentechnik ausgebildet haben. Sie geht ferner hervor aus
allerdings noch vereinzelten Erscheinungen der Industrie, die kühn eine
neue Bahn betreten. Ein ganz vortreßliches und lehrreiches Beispiel bietet
auch die Weihnachts-Ausstellung in dem von Stramitzer ausgestellten
Kragen, der nach S!0rck's Entwurf angefertigt worden. Hier ist Alles,
was wir wünschen: eine schöne, klare, der Sache entsprechende Zeich-