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Künstler Italiens meistens auch scharfe Rechner; der Erwerbssinn war
in ihnen stark entwickelt, wie im Italiener überhaupt - und warum hätte
er es nicht sein sollen? War doch ihre Arbeit eine Meisterarbeit und
ihres Lohnes vollauf werth. Aber der bloße Trieb nach Lohn und
rascheren Verdienst wird nicht lediglich der Beweggrund gewesen sein,
weshalb der Meister im weiteren Verlaufe seiner Klinstlerlaufbahn vorzugs-
weise Thonbildner wurde. Es gibt auch rein artistische Ent-
schließungen - und eine solche hier vorauszusetzen, haben wir
allen Grund.
Er war in seinem ersten, frühen Marmorwerk, in dem Musikfest der
Kinder für die Orgelbalustrade mit einem fröhlichen Erfolge in die höhere
Künsllerlaufbahn getreten. 15 Jahre darauf machte ihm der Auftrag
für die ernsten kirchlichmepräsentativen Reliefs in Bronze offenbar viel
Sorge; es war für ihn eine allzu monumentale Aufgabe, die ihn belastete
-- er nahm dieselbe mehr schwer als groß, und hatte trotz ausgiebiger
Beihilfe mit ihr bis auf seine letzten Lebensjahre zu schaffen. Lorenzo
Ghiberti brauchte für die Thüre mit dem Leben Jesu am Baptisterium,
welche ihm im Wetlkampfe mit Brunellesco zugetheilt wurde, 21 Jahre
(1403-1424); das Wunderwerk der anderen Hauptthür mit den alt-
testamentarischen Bildern - jener von Michelangelo mit Recht bewun-
derten Eingangspforte für die ganze Scnlptur der Renaissance - voll-
endete er in 25 Jahren (1425-1450). Unser Meister brachte seine weit
bescheidenere Erzthür (allerdings unter nicht aufgeklärten Hemmnissen) erst
in 28 Jahren fertig. Der sonst so emsige, erfindungsreiche Künstler, dem
auch das Modelliren schnell von der Hand ging, scheint sich hier ab-
sichtlich nicht beeilt zu haben, weil er den Druck dieser Arbeit fühlte.
Er schaffte sich Erholung und neuen Aufschwung in anderer Arbeit und
construirte unermüdlich seine Oefen um, in welchen er seine Thonwerke
brannte und glasirte, bis er endlich die richtige Zartheit der Glasur
herausbrachte, die auch dem leiseren Drucke der Modellirung ohne
störendes Aufquellen der Formen und Contouren sich anschmiegte. In
die lange Dauer seines zögernd fortschreitenden monumentalen Bronze-
werkes fallen nun die zahlreichen, technisch wie künstlerisch immer voll-
kommeneren Majolikareliefs, die auch gegenüber den ersten, würdevoll
aber schwerer componirten Tympanons über den Sacristeipforten im Dom
einen weiteren, ungleich freieren Forschritt bezeichnen. Man möchte
sagen, dass Luca als Bildner in Thon die Herrschaft über die Form, die
Lieblichkeit und flüssige Lebendigkeit des Ausdrucks, welche er im Marmor
der Orgelbalustrade im ersten genialen Wurf mühelos gefunden hatte,
auf einem anderen, neubetretenen Wege wiedergewann, nachdem er in
der Erzbildnerei fast Gefahr lief, dieselbe einzubüßen.
Wir müssen nur ernstlich versuchen, seine Kunststellung uns nach-
träglich ebenso klar zu machen, wie sie in einem entscheidenden Momente
der Selbstprüfung ohne Zweifel ihm selbst klar wurde. Meister Luca